Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
warum?«
Erik hielt seiner Schwiegermutter zugute, dass sie zu wenig, fast gar nichts von Björn Mende und seinen Problemen wusste, also war es kein Wunder, dass sie nicht an seine Schuld glauben mochte. Als sie aber nach dem Vitello tonnato, nach der Minestrone und nach den Fettuccine alla Genovese immer noch versuchte, Andresen die Morde in die Schuhe zu schieben, wurde er ungeduldig. »Finde dich damit ab, dass Andresen zwar ein unangenehmer Typ ist, aber kein Mörder.«
»Björn war doch in Ulla Andresen verliebt!«
»Wer sagt das? Er hat mir ihr geschlafen, das ist etwas ganz anderes.«
»Er hat seine Stiefmutter zu Recht gehasst«, überlegte Mamma Carlotta weiter. »Sie war eine schreckliche Frau, grausam, hinterhältig, obszön, schamlos …« Ihr Wortschatz versagte angesichts der Heimtücke. »Aber warum quält und tötet er sie nach so vielen Jahren? Wenn er das tun wollte, warum nicht eher? Warum erst jetzt? Und welchen Grund hatte er, Ulla Andresen zu töten?«
»Ich habe es dir doch schon erklärt«, antwortete Erik. »Seine sexuellen Probleme! Sie wird ihn lächerlich gemacht haben. Da ist er ausgerastet.« Er bat seine Schwiegermutter, sich um das Dessert zu kümmern, damit er mit Sören so bald wie möglich nach Westerland fahren konnte, um Björn Mende zu verhaften. »Er wird es uns erzählen. Wahrscheinlich bekommen wir heute noch ein Geständnis. Gegen die Ergebnisse eines DNA -Tests helfen keine faulen Ausreden, keine falschen Aussagen, keine Ausflüchte – nichts!« Erik nickte seinem Assistenten zu. »Wir werden ihn in die Mangel nehmen.« Er sah erst auf die Uhr, dann zu Mamma Carlotta, die keine Anstalten machte, das Dessert aufzutragen.
Sören hatte den Nachtisch fest im Auge und winkte ab. »Mende wiegt sich in Sicherheit. Er kann nicht ahnen, was wir gegen ihn in der Hand haben. Es kommt auf eine Stunde mehr oder weniger nicht an.«
»Was ist mit dem Geld?«, fragte Mamma Carlotta. »Hat Björn es genommen?«
Carolin mischte sich ein. »Vielleicht hat er es Ulla Andresen gegeben. Und ihr Mann hat nur behauptet, er hätte in der Spielbank gewonnen, damit niemand weiß, woher das Geld kommt. In Wirklichkeit …«
»… haben die Andresens Björns Tat gedeckt«, fügte Sören an. »Ja, das wäre möglich.«
Mamma Carlotta zupfte eine Strähne aus Carolins Haaren und sagte: »Was bist du doch für ein kluges Mädchen, Carolina.«
»Und dann hat Ulla Andresen gedroht, Björn Mende zu verraten!« Felix wollte auch seinen Teil beitragen. »Und deshalb hat er sie umgebracht.«
Leider fand er nicht so viel Zustimmung wie seine Schwester. »Warum sollte sie ihn verraten wollen?«, fragte Sören. »Dann hätte sie ja die vierzigtausend Euro hergeben müssen. Und was wäre dann mit Saskias Operation?«
Erik waren jetzt sämtliche Süßspeisen der Welt egal. »Wir fahren in die Pension Störtebeker! Umgehend! Ich will diesen Kerl endlich zwischen die Finger kriegen.«
Das graue Haus der Pension Störtebeker hatte schon viele Geschäftszweige beherbergt. Es sah so aus, als hätte es mal zu der Spedition gehört, die direkt dahinter lag. Und der kunstvolle Anstrich der Fensterläden, von denen jeder eine andere Farbe und ein anderes Muster trug, ließ darauf schließen, dass hier auch mal ein Anstreicherbetrieb zu Hause gewesen war, der die Fassade seiner Firma für die Präsentation seiner Produktpalette genutzt hatte. Ein großes Schild, das neben anderem Gerümpel hinter einem Müllcontainer lag, bewies, dass es hier auch mal jemand mit einem Gymnastik- und Massage-Studio versucht hatte. Und ein Wohnhaus für sozial schwache Familien war es vermutlich auch schon gewesen. Die Leuchtbuchstaben über der Tür verrieten, dass es heute eine Pension war. Das Haus von Fisch-Andresen nebenan stand unbeleuchtet da, nur in der ersten Etage brannte ein kleines Licht.
Sören klingelte, eine quäkende Stimme drang aus der Sprechanlage. »Ja, bitte?«
»Kriminalpolizei. Bitte machen Sie auf.«
Als sie vor der winzigen Rezeption standen, hatte die Frau mit der quäkenden Stimme sich noch nicht entschieden, wie sie auf das Erscheinen der Polizei reagieren sollte. Sie lächelte, doch ihre Augen rasten zwischen Sören und Erik hin und her, ihre Hände flatterten auf der Theke herum. Sie war das personifizierte schlechte Gewissen. Erik fragte sich, was sie wohl auf dem Kerbholz hatte, ließ den Gedanken aber schnell wieder fallen. Hier ging es nicht um Betrügereien oder illegale Prostitution,
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