Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Untersuchungsergebnisse Revue passieren lassen und war ein weiteres Mal zu der Überzeugung gekommen: »Der genetische Fingerabdruck wird den Täter überführen. Und wenn Björn Mende diesen Fingerabdruck hinterlassen hat, dann ist er der Mörder. Sowohl Christa Kern als auch Ulla Andresen hatten sexuellen Kontakt mit ihm, beide waren anschließend tot.«
Während Erik im Wohnzimmer den Aperitif einschenkte, meinte Sören: »Diese Übereinstimmung kann wirklich kein Zufall sein. Bei Björn Mendes Stiefmutter liegt das Motiv auf der Hand, bei Ulla Andresen lässt es sich leicht konstruieren.«
Sie prosteten sich zu, nippten an dem Sherry, redeten darüber, ob er trocken genug sei.
»Hat Mierendorf eigentlich am zweiten Tatort etwas entdeckt? Irgendwelche Spuren?«
Sören schüttelte den Kopf. »Auf dem Parkplatz gibt es sehr viele Spuren, das ist das Problem. Ein Auto in der Gegend unauffällig zu parken, ist auch so eine Sache. In der Nähe der Kiesgrube vielleicht. Aber auch da gibt es jede Menge Spuren, und zwar von den vielen Baufahrzeugen.«
»Und ein Radfahrer ist auch niemandem aufgefallen?«
Sören schüttelte erneut den Kopf. »Mierendorf hat alle Braderuper befragt. Fehlanzeige.«
Sie blickten eine Weile in den Garten hinaus, versorgten sich gegenseitig mit ihren Erfahrungen, wo der Sherry, den sie tranken, am preiswertesten zu bekommen sei, und gaben sich Mühe, kein Wort mehr über die beiden Mordfälle zu verlieren.
Erik nickte zum Wohnzimmertisch hinüber, wo ein aufgeschlagenes Fotoalbum lag. »Die Kinder haben wieder mit ihrer Nonna alte Fotos angesehen. Es ist merkwürdig … bis sie hier ankam, war es mir unerträglich, diese Erinnerungen auf dem Tisch liegen zu sehen, jetzt mag ich das aufgeschlagene Album. Seit meine Schwiegermutter im Haus ist, sind die Erinnerungen lebendiger geworden und damit erträglicher.« Er starrte auf die alten Schwarz-Weiß-Fotos, die Lucias Eltern und ihre Großeltern zeigten, als diese noch Kinder waren, und deren Geschwister. »Ich hätte viel eher die alten Fotos heraussuchen sollen, anstatt sie aus Angst vor der Trauer wegzuschließen. Mir war auch gar nicht klar, wie sehr die Kinder durch diese Fotos getröstet werden. Ich hatte geglaubt, die Erinnerungen würden ihnen wehtun.« Er lächelte, und Sören blieb ganz still und bewegungslos, damit sich dieses Lächeln möglichst lange hielt. »Den Kindern ist noch gar nicht aufgefallen, dass ich dieses Fotoalbum nie in den Schrank zurückstelle, obwohl ich abends gern Ordnung schaffe.« Er seufzte. »Wenn auch
am nächsten Morgen schon wieder alles in Unordnung geraten ist.«
Nun nahm Sören wieder einen Schluck und bewegte sich mit ein paar Schritten durchs Zimmer, denn das Lächeln gehörte jetzt wieder dem Hauptkommissar und nicht mehr dem Privatmann Erik Wolf. Sie kamen auf Andresens Ordnungszwänge zu sprechen, verglichen sie mit ihren persönlichen Vorstellungen von Ordnung und überprüften am eigenen Beispiel Dr. Hillmots Behauptung, dass aus einem Ritual schleichend ein Zwang werden kann.
Dann endlich klingelte es, und Erik und Sören ließen ihren Smalltalk fallen wie eine heiße Kartoffel. Kurz darauf trat Dr. Hillmot ein. Nein, er trat nicht ein, er trat auf. Und er war nicht der Überbringer einer Nachricht, er war die Nachricht selbst. Unanfechtbar, unumstößlich, über jeden Zweifel erhaben. Hätte ihm jemand einen Lorbeerkranz aufs Haupt gedrückt, er hätte vermutlich nicht abgewehrt. »Wir haben ihn!«
Erik spürte das heiße Gefühl des Triumphs in sich aufsteigen. Er kannte es genau, er genoss es, es war der Augenblick, der jede Mühe lohnte. Dass er trotzdem äußerlich ganz ruhig blieb, wunderte niemanden. »Die DNA -Spuren im ersten und zweiten Fall stimmen überein mit dem DNA -Material aus Husum?«, fragte er vorsichtshalber.
»Ganz eindeutig!« Dr. Hillmot strich sich über den Bauch und begab sich in die Küche, ohne sich lange bitten zu lassen. »Signora! Ich habe die Nacht durchgearbeitet, um den heutigen Abend mit Ihnen genießen zu können!«
Dass Carlotta Capella ihn etwas zerstreut begrüßte, fiel Dr. Hillmot nicht auf, denn er hatte sein Augenmerk nach einem kurzen Blick in das Gesicht der Köchin unverzüglich auf das Ergebnis ihrer Kochkunst gerichtet. »Vitello tonnato!«, schwärmte er. »Sie machen mich zu einem glücklichen Mann.«
»Es war nicht Andresen?«, fragte Mamma Carlotta.
»Nein, Björn Mende«, entgegnete Erik. »Kein Zweifel.«
»Aber
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