Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
eine kurze Weile sein Schmerz betäubt war.«
    »Schmerz? Hat seine Stiefmutter ihm Gewalt angetan? Körperliche Gewalt?«
    Dr. Baron schüttelte den Kopf. »Sie hat ihm seine Selbstachtung genommen. Sie wusste, dass er sich schuldig fühlte, weil seine Mutter sich nach einem Streit mit ihm ins Auto gesetzt hatte und in ihrer Erregung viel zu schnell gefahren war. Er lebte in der ständigen Angst, sein dominanter Vater könnte herausbekommen, dass der Sohn schuld am Tod seiner Frau war. Nicht noch einmal wollte Björn derart schuldig werden. Und auf diese Weise bekam seine Stiefmutter Macht über ihn. Als sie ihn einmal gezwungen hatte, konnte sie es immer wieder tun, weil Björn große Angst davor hatte, dass sie seinem Vater verraten würde, was er getan hatte. Sie drohte ihm sogar damit, seinem Vater zu sagen, dass er sie vergewaltigt hätte. So schaffte sie es, ihn immer wieder zu zwingen, sie oral zu befriedigen.«
    »Und als der Vater gestorben war?«
    »Da waren Zwang und Schuld längst ein vertrautes Muster geworden. Björn glaubte, sich dem Zwang seiner Stiefmutter nicht entziehen zu können. Er schaffte es erst, als er achtzehn war und eine junge Frau kennen lernte, die so war wie seine Stiefmutter: dominant! Er ließ sich von ihr herumkommandieren und war froh, dass sie ihn ganz für sich allein haben wollte. Mit ihrer Hilfe schaffte er es, sich von seiner Stiefmutter zu befreien. Er heiratete mit achtzehn und nahm den Namen seiner Frau an. Die beiden zogen weit weg von der Stiefmutter, sie hörten nie wieder voneinander.«
    »Aber er ging zu Ulla nach Sylt, obwohl seine Stiefmutter auch dort lebte.«
    Dr. Baron dachte eine Weile nach. »Dann wusste er es nicht«, sagte er mit großer Bestimmtheit. »Björn hätte sich niemals freiwillig in ihre Nähe begeben. Sein Hass auf sie war viel größer als seine Liebe zu Ulla.«
    »Wie lange hat seine Ehe gehalten?«
    »Nur ein paar Monate. Björn hatte sich natürlich durch die Ehe und den neuen Namen gar nicht von seiner Stiefmutter befreit, wie er geglaubt hatte. Nur äußerlich, nicht innerlich. Normaler Geschlechtsverkehr war für ihn weiterhin unmöglich, er onanierte immer noch. Und als er das Internet entdeckte, wurde es noch schlimmer. Er musste gar nicht mehr in die Öffentlichkeit, um sich Pornofilme zu besorgen, er setzte sich einfach zu Hause vor den Computer und verbrachte dort den Großteil des Tages. Seine Arbeit verlor er, Freunde hatte er nie gehabt, und seine Frau verließ ihn.«
    »Aber ihren Namen behielt er.«
    Dr. Baron nickte. »Nichts sollte ihn mit seiner Stiefmutter verbinden, er wollte nicht einmal denselben Namen tragen wie sie. Es war auch der Name seines Vaters, den er mittlerweile genauso hasste wie seine Stiefmutter. Björn Mende ging sogar so weit, dass er das Erbe seines Vaters ausschlug. Er lebte an der Armutsgrenze, obwohl er ein vermögender junger Mann hätte sein können.«
    »Wissen Sie zufällig, wo seine geschiedene Frau lebt? Ich würde sie gerne aufsuchen.«
    »Sie hat einen Kanadier geheiratet und lebt jetzt in Kanada.« Dr. Baron sah Erik bedauernd an. »Es dürfte schwer sein, sie zu finden.«
    Erik winkte ab. »Ist nicht so wichtig.« Dann konzentrierte er sich, um wieder an den Gesprächsfaden anzuknüpfen. »Wie kam Björn Mende zu Ihnen?«
    »Über die SLAA . Sex and Love Addicts Anonymous. Wenn Sie so wollen, die anonymen Sexsüchtigen. Er wollte von den Pornos und der Onanie weg, weil sie ihn an einem normalen Leben hinderten. Aber Gruppen der SLAA gab es nicht in seiner Nähe, daher kam er schließlich zu mir. Auf Empfehlung eines SLAA -Mitglieds.«
    »Wie würden Sie seine Beziehung zu Ulla Andresen kennzeichnen?«
    »Die Folgen von sexuellem Missbrauch sind vielfältig. Bei Björn Mende äußerten sie sich in einem extremen Klammern an Bezugspersonen. Er war ständig auf der Suche nach Liebe, war aber andererseits zu einer Beziehung mit emotionaler Tiefe und Vertrauen gar nicht mehr fähig.«
    »Und was empfand Ulla für ihn?«
    Dr. Baron seufzte. »Bei Ulla lagen die Verhältnisse natürlich ganz anders als bei Björn. Was sie brauchte, war eine Beziehung außerhalb ihres engen, eingegrenzten Lebens. Sie sicherte sich die Beziehung zu Björn, indem sie ihm half. Ich war immer in Sorge, dass sie irgendwann mit ihm Schluss machen würde. Dann nämlich, wenn sie glaubte, Björn ausreichend geholfen zu haben. Ich wusste, nach der Genesung ihrer Tochter oder nach ihrem Tod würde sie sich von ihrem Mann

Weitere Kostenlose Bücher