Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
sonst so bereitwillig zum Speicheltest mitgegangen?«
Erik presste die Lippen in die Mundwinkel. »Und was ist mit meiner Schwiegermutter, Sören? Vertrauen Sie nun doch ihrer Intuition nicht mehr?«
Sören bemerkte Eriks Sarkasmus nicht. »Womöglich war Andresen nur überrascht. Er wusste nicht, wie er sich wehren sollte, deshalb ist er uns widerspruchslos gefolgt. Wenn das so ist, dann wird er sich heute oder morgen absetzen. Jedenfalls bevor das Ergebnis der DNA -Analyse bekannt ist. Ich wette, er ist mit den vierzigtausend Euro längst über alle Berge, wenn wir in seinen Laden kommen, um ihn zu verhaften.«
»Aber dann hätte für ihn alles keinen Sinn gehabt. Wenn er Christa Kern umgebracht hat, dann doch nur deshalb, um mit den vierzigtausend Euro seine Tochter zu retten.«
»Vermutlich ist ihm nie der Gedanke gekommen, dass wir ihn verdächtigen könnten. Aber jetzt muss er seine Haut retten. Warum nur stellt sich die Staatsanwältin so stur?«
»Weil sie der Meinung ist, dass wir gegen Andresen nicht genug in der Hand haben. Sie will nicht glauben, dass er der einzige Mann sein soll, mit dem Christa Kern Kontakt hatte. Außerdem sagt die Staatsanwältin, Christa Kern könne auch einem Fremden die Tür geöffnet haben. Einsame Menschen wie sie neigen zu solchen Unvorsichtigkeiten. Vielleicht hat sie sich nach Kontakt gesehnt, nach menschlicher Wärme, nach Zuwendung, nach Gesprächen. Und dann klingelt ein Fremder an ihrer Tür, ein Bettler, jemand, der für einen guten Zweck Geld sammelt, oder ein Fischer, der seinen Fang anbietet …«
»Oder Fietje, der mal wieder herumstreunt?«
Erik fiel die Kinnlade herunter. »Fietje? Warum sollte die Kern ausgerechnet Fietje ins Haus lassen?«
»Menschliche Wärme, Kontakt, Zuwendung, Gespräche – das alles konnte auch Fietje bieten.«
»Und Christa Kern war so vertrauensvoll, ihm von den vierzigtausend Euro zu erzählen, die sie im Hause hat?« Erik schwieg eine Weile. »Nein, sehr wahrscheinlich ist das nicht. Aber vielleicht ist der Mörder zufällig auf das Geld gestoßen. Dass die Kern vermögend war, sah man sofort, wenn man ihr Haus betrat.«
»Aber es ist nicht durchsucht worden«, erinnerte Sören. »Denken Sie an die mustergültige Ordnung im Haus!« Er schüttelte den Kopf. »Fietje dagegen könnte mal wieder durch ein Fenster gesehen und die Kern beobachtet haben, wie sie die vierzigtausend Euro zählte und weglegte.« Er überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf erneut. »Nein, Fietje ist zu einer solchen Gewalttat nicht fähig. Für mich ist Andresen der Einzige, der für den Mord in Frage kommt. Sein Motiv …« Er stockte, dann sprang er wieder auf. »Hat die Staatsanwältin denn sein Motiv nicht überzeugt?«
Eriks Gesicht färbte sich rot. »Was sollte ich der Staatsanwältin erzählen? Sollte ich ihr sagen: Meine Schwiegermutter hat mit der Frau des Tatverdächtigen geplaudert? Rein zufällig natürlich! Und meiner Schwiegermutter hat Frau Andresen verraten, was sie mir nicht eingestehen wollte! Dass dringend sehr viel Geld für die Operation ihrer herzkranken Tochter benötigt wird! Wie soll ich erklären, dass meine Schwiegermutter mehr erfahren hat als ich? Vergessen Sie nicht, Sören, dass Ulla Andresen nichts davon wissen wollte, als ich sie fragte.«
»Aber das ist doch wiederum verdächtig!«, rief Sören. »Sie hat mit Ihrer Schwiegermutter darüber geredet, weil sie glaubte, es handle sich um irgendeine Touristin, die Mitleid mit ihr und dem Kind hat. Sie konnte ja nicht ahnen, dass sie die Schwiegermutter des Hauptkommissars vor sich hatte. Ihnen gegenüber durfte sie dagegen nicht ehrlich sein, denn damit hätte sie Ihnen das Motiv für den Mord geradezu auf die Nase gebunden.« Eine Weile betrachtete er seinen Chef, der beharrlich schwieg, dann ergänzte er resigniert: »Aber das alles können Sie der Staatsanwältin wohl wirklich nicht erzählen, klar.«
»Lassen Sie also meine Schwiegermutter aus dem Spiel!« Erik erhob sich und ging zur Kaffeemaschine. »Rufen Sie alle Kinderärzte von Sylt an, Sören. Es gibt ja nur eine Handvoll. Bei einem von ihnen muss Saskia Andresen in Behandlung sein.«
Sören erhob sich ebenfalls und hielt Erik seinen Kaffeebecher hin. »Sie glauben, dass wir von einem Kinderarzt das zu hören bekommen, was Ihre Schwiegermutter von Ulla Andresen erfahren hat?«
Erik nickte und füllte Sörens Kaffeebecher. »Dann kann ich mir überlegen, ob ich die Staatsanwältin noch einmal
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