Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Carlotta lächelte geheimnisvoll. »Habe ich längst.«
Nun legte auch Carolin die Zitrone zur Seite, die sie vierteln sollte. »Du hast schon was herausgefunden?«
»Sì!« Mamma Carlotta nickte. »Stellt euch vor: Ulla Andresen wird mit dem Kind demnächst in die USA fliegen. Anscheinend ist schon alles vorbereitet. Und wovon bezahlt sie das?«
»Von dem Geld, das ihr Mann der reichen Frau aus Kampen geraubt hat«, antwortete Felix atemlos.
»Wir müssen Papa sofort davon erzählen«, sagte Carolin aufgeregt. »Das ist doch Beweis genug!«
»No, no!« Mamma Carlotta schnitt ihr mit einer energischen Handbewegung das Wort ab. »Dann müsste ich ja gestehen, dass ich mich bei den Andresens eingeschlichen habe. Enrico wird mich subito nach Umbrien zurückschicken, wenn er das erfährt. Warten wir noch, bis der … wie heißt er noch, dieser Test?«
» DNA -Test«, half Carolin aus.
»Ja, bis dieser DNA -Test ausgewertet worden ist. Dann wird euer Vater selber glauben, dass Andresen der Mörder ist. Und bis es so weit ist, werde ich auf Andresen aufpassen und nach weiteren Beweisen suchen.« Sie warf einen Blick in den Backofen und lächelte die Goldbrasse zufrieden an. »So ein unsympathischer Kerl«, murmelte sie. »Sogar das Kind hat Angst vor ihm. Wenn die Mutter der Kleinen ein Märchen vorliest, in dem der böse Wolf vorkommt, fängt es gleich an zu weinen. Weil der Vater mit Vornamen Wolf heißt! Ist das nicht entsetzlich? Il papà ist für das Kind ein böser Wolf! Anscheinend spürt sogar die Kleine, dass der Vater böse ist. Was ein unschuldiges Kind erkennt, ist selten falsch.«
Felix nickte begeistert, Carolin jedoch gab zu bedenken: »Der Vater muss Saskia aber sehr lieben, wenn er für sie zum Mörder wird.«
Mamma Carlotta mochte solche Einwände nicht. »Carolina, du musst das Herz sprechen lassen! Du bist wie dein Vater und bemühst stattdessen deinen Verstand! Hör auf dein Herz!« Sie klopfte an ihre linke Brust und sah ihre Enkeltochter herausfordernd an. »Na, was sagt dein Herz? È vero, es sagt, dass Wolf Andresen ein böser Wolf ist, der eine arme Frau nicht nur umgebracht, sondern vorher sogar noch gequält hat.« Sie schüttelte sich. »Wie grausam, ihr im Angesicht des Todes noch so etwas anzutun!«
»Warum nur hat er das getan?«, fragte Carolin und sah ihre Großmutter schuldbewusst an, weil sie schon wieder im Begriff war, ihren Verstand sprechen und das Herz schweigen zu lassen. »Wenn er Christa Kern umgebracht hat, um ihr Geld zu stehlen, dann musste er doch vorher nicht noch …« Sie warf ihrer Großmutter und ihrem Bruder einen Blick zu und stellte erleichtert fest, dass sie den Satz nicht zu Ende führen musste.
»Er hasste sie«, entgegnete Felix und schob sein Käppi auf dem Kopf hin und her. »Anscheinend hat ja niemand diese Frau leiden können. Und weil Andresen sie hasste, wollte er sie vor ihrem Tod noch quälen. Vielleicht wollte er sich rächen für etwas, was sie ihm vorher angetan hatte.«
»Da seht ihr’s!« Mamma Carlotta klopfte sich erneut an die Brust. »Unsere Herzen können alles erklären. Nun muss nur noch der Verstand seine Beweise bekommen. Euer Vater will es ja nicht anders.« Sie betrachtete jedes Enkelkind mit großem Wohlgefallen und Carolin besonders nachdrücklich. »Wenn wir drei zusammenhalten, wird es schon klappen. Wichtig ist, dass ihr einen Teil der Hausarbeit übernehmt, damit euer Vater nichts merkt. Er hat es verdient, mal wieder so richtig umsorgt zu werden. So, als lebte eure Mama noch! Aber wie soll das gehen, wenn ich tagsüber bei Fisch-Andresen arbeite?«
»Keine Sorge, Nonna«, meinte Carolin. »Ich übernehme die Arbeit in der Küche.«
»Und ich werde das Badezimmer putzen und die Betten machen«, bot Felix an.
»Und die Wäsche aufhängen?«
»Okay, das auch. Aber bügeln muss Carolin.«
Lange war das Schmurgeln, das aus dem Backofen drang, das einzige Geräusch in der Küche. Dann machte Mamma Carlotta eine Entdeckung, die die Versonnenheit aus der Küche fegte. »Unfähigkeit der Kriminalpolizei?« Sie sprang auf und griff nach der Zeitung, die neben der Spüle lag. »Mein Schwiegersohn ein unfähiger Polizist? Welcher Schwachkopf hat das geschrieben? Che deficiente! Non capisce un accidente!«
Die Spielbank von Westerland lag in einem großen Gebäude, in dem auch das Rathaus untergebracht war. Das nahm den linken Teil des Hauses ein, die Spielbank den rechten. Verbunden wurden sie durch ein Café, auf dessen
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