Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Rinderfilet und tauchte ihn in das heiße Öl. Die flackernde Flamme in der Lampe über dem Tisch kündigte normalerweise an, wenn das Petroleum zur Neige ging. Sie stand auf und blies die Flamme aus. Ihre Gedanken wanderten zu der tot aufgefundenen Frau und den Kerzen rings um die Leiche. Und zu der fehlenden Nase.
»Wie sieht es aus?«, fragte Johan, nachdem er den letzten Spieß mit Riesengarnelen und Rinderfilet in den Topf gesteckt hatte. »Gerüchten zufolge habt ihr eine Frau im Rosenlund gefunden. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass Lycke mir das erzählt hat«, sagte Johan.
»Ich kann gut verstehen, dass sie dir das erzählt hat, und es stimmt auch. Das ist der Nachteil an meinem Beruf. Ich kann nicht einfach mit Außenstehenden darüber sprechen.«
»Mit Außenstehenden«, sagte Johan etwas traurig.
»Entschuldige, so habe ich es nicht gemeint. Es ist nur so …«
»Schon okay. Ich verstehe das.«
»Ist dir meine Arbeit unangenehm?«, fragte sie besorgt.
»Nein, aber du musst ziemlich stark und ausgeglichen sein. Schon allein, weil du so viele Dinge mit dir allein ausmachen muss. Wenn du mit Freunden zusammensitzt, kannst du schließlich nicht einfach erzählen, wie deine Woche war. Ich finde dich bewundernswert. Gleichzeitig würde ich dir gern näherkommen.« Er wirkte nahezu beschämt, während er das sagte.
»Das hast du schön ausgedrückt. Ich möchte auch gern, dass du mir näherkommst. Was hältst du davon, den Kaffee oben im Cockpit zu trinken? Die Nacht ist sternenklar.«
»Kaffee interessiert mich nicht so.« Johan deckte den Brenner zu und löschte die Flamme. »Lieber sitze ich hier mit dir.« Er lächelte.
Am Himmel ging ein Licht nach dem anderen an. Das Sternbild Kepheus stand direkt über der
Andante
. Südlich davon der Schwan, der Steinbock und der Schütze. Im Osten der Widder und Andromeda. Das Glucksen der Wellen wiegte die beiden Liebenden in den Schlaf, während die Temperatur zum ersten Mal in diesem Herbst unter Null fiel.
Altenheim Björndalsgården, Trollhättan,
Herbst 2008
Fünf Wochen später konnte Kristian Hjördis Hedlund telefonisch einen Platz im Altenheim Björndalsgården anbieten. Die alte Frau war alles andere als dankbar und musste am Ende unter Zwang eingewiesen werden. Anschließend begann Kristian, nach Antworten zu suchen, von denen er hoffte, dass sie Asko irgendeine Erklärung
bieten würden. Vielleicht würde er Hjördis sogar mit ihrem Sohn zusammenbringen. So dass Asko ihr seine vielen Fragen selbst stellen konnte.
Nach zwei Monaten holte Kristian das große Tuch mit dem aufgemalten Baum, dem Stammbaum, aus dem Haus von Hjördis Hedlund und hängte es in ihrem neuen Wohnzimmer auf. Die Decken in dem Reihenhaus waren niedriger als im ehemaligen Haus der Frau, und er hatte das Tuch vorsichtig zusammengerollt, so dass die älteren Namen nicht zu sehen waren. Er hatte sie sich jedoch eingeprägt.
»Hallo, Hjördis.«
»Was willst du? Es ist deine Schuld, dass ich an diesem elenden Ort festsitze.«
»Ich habe gehört, dass es dir richtig gutgeht und dass du dich mit Gunnar unterhältst.«
»Gunnar? Dieser Idiot. Ihr seid doch alle Idioten.«
»Erinnerst du dich an den Stammbaum in eurem Haus?« Er zeigte auf das Tuch hinter ihr.
Die Frau drehte sich kaum um.
»Verzieh dich. Meine Familie geht dich nichts an.«
»Der Zweig. Ich würde gern wissen, ob du mir etwas über den abgebrochenen Zweig erzählen kannst.«
»Der geht dich gar nichts an. Was bist du überhaupt für ein Arzt? Ein Irrenarzt?« Sie wandte sich ab.
»Ich glaube, dass der Zweig für jemanden steht. Eine Person. Habe ich recht?«
»Einen Nichtsnutz. Einen Bastard.« Sie sprach die Worte mit einer Leichtigkeit aus, die ihn erstaunte, und verzog keine Miene.
»Ein Junge. Dein Sohn?«
»Was spielt das für eine Rolle?« Sie sah ihn an. »Was willst du hier überhaupt? Wenn es nichts Wichtiges ist, möchte ich, dass du gehst.«
»Mein bester Freund, der genauso alt ist wie ich, wohnte in einer Pflegefamilie. Mittlerweile hat er selbst Kinder – zwei Töchter – und ist verheiratet. Aber bevor er zu den Pflegeeltern kam, war er im Keller eingesperrt.«
»Kein Interesse. Das hat nichts mit mir zu tun.«
»Ich glaube, es hat unheimlich viel mit dir zu tun. Du bist mit ziemlicher Sicherheit seine biologische Mutter.«
Der Blick der Frau ruhte auf ihm.
»Ich habe keinen Sohn und will auch keinen. Vor allem will ich, dass du gehst. Jetzt.«
Die Gespräche liefen immer
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