Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
ähnlich ab. So sehr er auch bohrte, nie bekam er die gewünschten Antworten. Keine Antwort, die er an seinen Freund weitergeben konnte, und vor allem keine Erklärung.
Am Sonntag stand Johan in seinem Schärenboot am Ruder und sah Karin zu, während sie die erste Hummerreuse aus dem Wasser zog.
»Hast du Lust auf Krebse zum Abendessen?«, fragte er.
»Wenn ich ehrlich sein soll, mag ich die nicht besonders«, sagte Karin. »Die Scheren gehen gerade noch. Ansonsten esse ich fast alles. Außer Krebsen und Muscheln. Und Leber.«
»Dann dürfen sie wieder hinein«, sagte Johan.
Er vergewisserte sich, dass sich keine anderen Fischereivorrichtungen, Boote oder Untiefen in der Nähe befanden, bevor er in den Leerlauf schaltete und zu Karin ging.
»Na dann.« Er drehte die Reuse über dem Wasser um und schüttelte sie. Die Krebse, die sich an das Netz geklammert hatten, lösten sich und plumpsten zurück ins Meer. Außer drei besonders hartnäckigen Exemplaren.Johan stülpte die Reuse wieder um und stellte sie auf den Boden.
»Wie bekommen wir die da raus?«, fragte Karin.
»Fass sie an den Scheren an, aber sei vorsichtig. Sie sind schneller, als man denkt, und haben eine irre Kraft.« Johan hielt dem einen Krebs einen Teelöffel hin. Hastig packte der Krebs das blitzende Ding mit der rechten Schere.
»Ui«, sagte Karin. »Jetzt weiß ich, was du meinst.«
Nach langem Gefummel hatte Karin schließlich auch den letzten Krebs gelöst.
»Mach’s gut, Kleiner«, rief sie ihm hinterher, als er in der Tiefe verschwand.
»Wir brauchen einen neuen Köder«, sagte Johan. »Die sind in dem Eimer da drüben.« Er zeigte auf eine graue Plastiktonne, die fest am Boot vertäut war. »Makrele und Lippfisch, riecht nicht besonders. Rechts liegen Handschuhe.«
Karin nahm den Deckel ab und musste von dem Gestank husten. Die Handschuhe waren zwar zu groß und ein wenig feucht, aber sie griff trotzdem beherzt nach einem Makrelenkopf, spießte ihn gemäß Johanns Anweisungen auf den Köderhaken und ließ die Reuse wieder zu Wasser.
»Jetzt hängt sie gut«, sagte sie zu Johan.
»Okay, dann kannst du loslassen.« Karin warf die restliche Leine und den Schwimmer mit Johans Namen und Telefonnummer ins Wasser. Ihre Gedanken wanderten wieder zu den Ermittlungen. Folke und Robban arbeiteten und würden anrufen, falls sie ihre Hilfe benötigten. Entspann dich, sagte sie zu sich selbst.
»Wie läuft es?«, rief Johan.
»Gut!«, antwortete Karin und bemühte sich, die Arbeit zu vergessen.
Johan hatte vierzehn Reusen im Wasser, und mit jeder Reuse, die er hochzog, leerte und mit einem neuen Köder bestückte, wurde ihm wärmer ums Herz. Es war Teamwork auf höchstem Niveau, die Seekarte im Blick zu behalten und auf den Wind, die Strömung und die vielen Schwimmer von anderen Leuten zu achten, während der andere zog. Anerkennend sah er Karin zu. Sie bewies wirkliches Interesse und war nicht nur ein Mädel, das sich zu Beginn der Beziehung verstellte, um ihn zu beeindrucken. Beziehung, dachte er und hoffte inständig, dass sich eine solche zwischen ihnen entwickeln würde. Es gab so viele Dinge, die er an ihr mochte. Ihre Art, das Wasser und die Klippen zu betrachten oder schweigend auf einen Schwarm von trompetenden Schwänen zu zeigen. Behutsam hatte sie Gummibänder über die Scheren der drei Hummer gestreift, die sie gefangen hatten.
»Du lenkst das Boot unheimlich gut. Besser als mein Bruder und fast besser als ich selbst.«
»Was du nicht sagst. Nur fast? Warte mal, bist du nicht der Typ, der Rums-in-die-Bude genannt wird?« Karin lachte.
»Ach, komm her.« Johan zog sie an sich. »Mit dir geht es mir so gut«, sagte er.
»Mir geht es genauso«, erwiderte Karin und drückte ihn an sich.
Während sie Marstrandsön umrundeten, ging allmählich die Sonne unter und färbte den blauen Himmel immer rötlicher. Der Lichtkegel vom Leuchtturm Pater Noster strich über den Horizont, als sie sich der nördlichen Hafeneinfahrt von Marstrand näherten.
Zu seinem Erstaunen war es Robban gelungen, Folke von der Idee zu überzeugen, den Kaffee nicht im Pausenraum, sondern in der Sonne zu trinken. Nun saß er um zehn Uhran einem Montagvormittag neben Folke auf einer Bank vor dem Polizeigebäude und ließ sich genüsslich die Sonne ins Gesicht scheinen, als plötzlich das Klingeln eines Handys das Vogelgezwitscher übertönte.
Robban fummelte das Telefon aus der Tasche.
»Sjölin.«
»Hallo, Robban, Hektor hier. In die Sache ist
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