Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
las laut vor:
»›Mittels eines reinigenden Übergangsrituals im Feuer werden die bindenden Versprechen an die Vergangenheit gekappt und die Seelen wieder an ihren Platz in der Unterwelt verwiesen.‹ Von wem ist hier die Rede?«
»Könnte das nicht eine ganz allgemeine Überlegung sein?«, schlug Folke vor.
»Das glaube ich kaum. Nicht, wenn das gesamte Rollenspiel über diese Internetseite organisiert wird. Die fühlen sich hier sicher und denken, niemand könnte ihre Konversation lesen. Was, wenn sie von Marianne sprechen? Vielleicht bereiten sie ihren Übergang vor?«
Karin saß bereits im Büro von Margareta Rylander-Lilja im Rechtsmedizinischen Institut, als diese den Raum betrat. Sie war eine aparte Dame um die fünfzig oder vielleicht fünfundfünfzig. Karin kannte sie vor allem in der Schutzkleidung, die sie im Obduktionssaal trug, nun aber erschien sie in einer elfenbeinfarbenen Wickelbluse und passender Hose. Lächelnd streifte Margareta ein schweres Goldarmband über, legte einen Hefter auf den Tisch und setzte sich Karin gegenüber. Ein diskreter, angenehmer Duft breitete sich im Raum aus.
»Möchtest du eine Tasse Tee oder vielleicht einen Kaffee?«, fragte Margareta.
»Ich nehme gerne Tee.« Karin wusste, dass Margareta überhaupt keinen Kaffee trank, aber über ein beeindruckendes Teesortiment verfügte.
Margareta verschwand nebenan. Wenige Minuten später kehrte sie mit zwei Bechern heißem Wasser zurück.
»Der hier ist neu.« Margareta hielt eine Tüte losen Tee hoch. »Wirkt angeblich beruhigend und harmonisierend. Was meinst du?«
»Klingt nicht verkehrt.«
Geschickt befüllte Margareta zwei Teeeier und stellte Karin den einen Becher hin. Daneben platzierte sie ein Tellerchen mit vier italienischen Mandelkeksen.
»Dann wollen wir mal sehen.« Margareta loggte sich in ihren Computer ein und sah Karin an. »Eigentlich habe ich alles im Kopf, aber ich will sichergehen, dass ich die Namen nicht durcheinanderbringe.« Sie nahm einen Schluck Tee, klickte mit der Maus und wandte sich erneut Karin zu.
»Nimm dir noch eins von den Biscotti. Eigentlich sind sie steinhart, aber ich weiche sie immer ein bisschen ein. Italiener würden wahrscheinlich in Tränen ausbrechen, aber meine Zähne werden es mir vermutlich danken.«
Karin stippte ein Biscotti in ihren Tee.
»Da die Frau aus dem Rosenlund noch nicht der erweiterten Untersuchung unterzogen wurde, werde ich auf sie nicht eingehen. Wir versuchen, sie mittels der zahnärztlichen Patientenkartei zu identifizieren, aber du weißt ja selbst, wie lange so etwas dauert, und es könnte ja auch sein, dass sie nie bei einem Zahnarzt war – was weiß ich? Da sie keine einzige Füllung hatte, ist das nicht ausgeschlossen.«
Margareta legte den gelben Hefter zur Seite und blickte wieder auf den Bildschirm.
»Wir beginnen mit dem Kopf, den ihr auf Marstrandsön gefunden habt. Dank eines Zahnarztes aus Trollhättan konnten wir die Identität der Frau beziehungsweise des Kopfes feststellen. Sie heißt Elisabet Mohed. Nachdem ihr die beiden Fälle aus Marstrand und Trollhättan in Verbindung gebracht hattet, wurden Abdrücke an einigeZahnärzte dort und in Vänersborg geschickt. Ein Schuss ins Blaue, aber es hat sich gelohnt. Die Polizei in Trollhättan hatte ja leider nicht die Möglichkeit, weil ihr bisher ein Kopf fehlte.«
Margareta streckte die Hand nach dem Blatt aus, das aus dem Drucker hinter ihr geschoben wurde. Sie legte es auf den Schreibtisch und drehte es so, dass Karin den Text lesen konnte.
Elisabet Mohed. Karin überflog die Personenkennzahl und las die Meldeadresse der Frau.
»Trollhättan«, sagte Karin. »Bist du schon dazu gekommen …«
»Ich habe erwartet, dass du danach fragst. Ja, bin ich. Der Kopf passt zu den Körperteilen auf dem Richtrad am Fluss.« Margareta klickte mit der Maus. »Die Polizei in Trollhättan freut sich bestimmt, dass sie es jetzt mit einer vollständigen Leiche zu tun hat, deren Identität zweifelsfrei feststeht. Das Gespräch mit den Kollegen dort überlasse ich dir.«
Karin nickte. Sie freute sich auf den Anruf bei Anders Bielke. Die Polizei in Trollhättan würde ihnen viele Türen öffnen und bei den Gesprächen mit Nachbarn und Kollegen behilflich sein.
»Aber wieso platziert man einen Kopf an einem ganz anderen Ort und außerdem viel später?«, fragte Karin nachdenklich.
»Das ist eine berechtigte Frage. Zum Glück brauche ich mir darüber nicht den Kopf zu zerbrechen.« Lächelnd fuhr
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