Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
sie den Bootsschlüssel nicht finden. Sie suchte noch eine Minute danach, bis sie einsah, dass das Boot eben unverschlossen bleiben musste. Sie pustete die Petroleumlampe aus, stieg hoch, klappte die Eingangsluke herunter und rannte den Steg hinauf.
Zwei Dinge fehlten an Bord, eine Waschmaschine und eine Dusche. Besonders die Dusche fehlte ihr oft, und sie hatte bereits Entwürfe für einen Einbau in der Toilette gezeichnet.
Der Yachthafen bot keine Duschen in der Nähe des Liegeplatzes der
Andante
, aber die Besitzer der Werft RingensVarv waren so nett gewesen, ihr den Schlüssel zum Personalraum zu geben. Was zum Teufel hatte sie sich bloß dabei gedacht, als sie zwanzig Minuten zugestimmt hatte? Das würde sie nie schaffen. Sie war ganz verschwitzt von dem kleinen Spurt. Wie durch ein Wunder waren immerhin auch Make-up und Parfüm im Kulturbeutel gelandet. Plötzlich wurde ihr klar, dass es eigentlich keinen Grund zur Hetze gab. Sie schrieb Johan per SMS, das Boot sei nicht abgeschlossen und sie käme gleich wieder.
Als sie etwas später wieder über den Steg spazierte, strömte Licht aus den runden Luken der
Andante
. Das sah einladend aus. Es war ein wohliges Gefühl, ein beleuchtetes Boot zu betreten, auf dem bereits jemand wartete. Nicht irgendjemand, korrigierte sie sich. Johan.
»Hallo. Darf man eintreten?« Karin klopfte auf das Deck.
Johan stand mit einem Feuerzeug in der Hand in der Kombüse und hörte sie nicht kommen. Er versuchte vergeblich, den Kocher zu entzünden.
»Der Spiritus im Brenner ist alle.« Karin klappte eine Bank im Cockpit auf.
»Hallo«, sagte Johan. »Ich hab dich gar nicht kommen hören.« Mit einem Schritt erklomm er die Treppe zum Cockpit und umarmte sie fest.
Mit Hilfe eines Plastiktrichters füllte Karin einen Liter Flüssigkeit in den Behälter, bevor sie den kleinen Einsatz wieder in den Kocher steckte und den Deckel zumachte.
Johan schnitt währenddessen das Landbrot und schälte Knoblauch.
»Versuch es noch mal«, sagte Karin. Johan hielt das Feuerzeug an den Herd und brachte eine Flamme zustande.
»Perfekt«, sagte er, während die feingehackte Zwiebel in dem Olivenöl zischte, das er mitgebracht hatte. In zweiGläsern, die Karin nicht kannte, stand bereits Rotwein auf dem Tisch.
»Heißt das, dass dir meine Weingläser aus Plastik nicht gefallen?«
»Ach, betrachte die Gläser doch einfach als ein kleines Geschenk. Du nimmst mir das doch hoffentlich nicht übel?«
»Dass du zu Besuch kommst, für mich kochst und mir schöne Weingläser schenkst? Nicht direkt. Allerdings sehen deine nicht ganz so seetauglich aus wie meine. Muss ich jetzt das ganze Boot neu versichern?« Karin betrachtete die schön geschliffenen Gläser, die sich angenehm schwer anfühlten.
»Aus Norwegen«, sagte Johan, ohne auf die Versicherungsfrage einzugehen. »Hadelands Glasbläserei. Das Muster mit den Ovalen heißt Olivenschliff. Apropos Oliven, würdest du diesen Teller bitte auf den Tisch stellen? Und noch etwas.«
»Was denn?«
»Du siehst so schön aus. Warte kurz, ich muss dich noch einmal in den Arm nehmen.«
»Danke.« Karin lächelte. So geschminkt und in der hübschen roten Bluse, die sie schon lange nicht mehr angehabt hatte, fühlte sie sich tatsächlich schön.
Johan stellte einen gusseisernen Topf auf den Tisch.
»Fondue«, sagte er. »Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob das hier auf dem Boot nicht zu gefährlich ist. Was meinst du?«
»Das dürfte kein Problem sein. Bei mir laufen ja auch ständig die Heizung und die Petroleumlampen.«
Karin dachte an den Vortrag, den Folke ihr heute über gefährliche Gase gehalten hatte. Er wäre an die Decke gegangen, wenn er wüsste, dass sie ausgerechnet hier Fondue essen wollten.
Johan hatte Rinderfiletscheiben, Riesengarnelen und Champignons auf einen rustikalen blauen Teller gelegt und daneben große schwarze und grüne Oliven platziert.
»Das sieht phantastisch aus! Ich kann mich gar nicht mehr an mein letztes Fondue erinnern.«
»Ich auch nicht.« Johan stellte den Topf auf den Tisch und zündete den Brenner an. »Meine Eltern, Martin und ich haben das eine Zeitlang ziemlich oft gegessen, wenn wir es uns samstags vor der Cosby-Show gemütlich gemacht haben«, sagte Johan mit träumerischem Gesichtsausdruck.
»Die Serie war echt toll!«, sagte Karin.
»Ich habe sie mir mit Walter noch einmal angesehen, als sie im Frühjahr wiederholt wurde.«
Karin bestückte einen Spieß mit Oliven, Champignons und
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