Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman

Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman

Titel: Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
Vom Netzwerk:
genannt. Sie gingen auf dem Kai am Wasser entlang, bis der Weg von der Küste abbog und im Wald verschwand. Am Anfang ging es im Schatten der Bäume auf beiden Seiten steil hinauf. Rechts gab es mehrere Abzweigungen zu Bänken, wo man auf der Klippe sitzen und die Aussicht genießen konnte. Karin stellte sichneben eine dieser Bänke und winkte Robban zu sich heran. Sie zeigte auf die
Andante
, die auf der Außenseite des Schwimmstegs von Koön vertäut war. Die Wellen reflektierten die Sonnenstrahlen und warfen tanzende Lichtflecke auf den schwarzen Rumpf des Boots.
    »Mein Zuhause. Ich bin wie eine Schnecke, die ihr Haus auf dem Rücken trägt. Alles, was man braucht, außer Dusche und Waschmaschine. Permanenter Meerblick, frische Luft und keine Grundsteuer.«
    »Ich werde wohl mal beim Finanzamt anrufen und die auf die Leute aufmerksam machen, die auf Booten wohnen. Das muss doch verboten oder zumindest steuerpflichtig sein«, sagte Robban.
    Der Weg wurde schmaler und lief zwischen zwei hohen Felsen hindurch. Nach der Schneise ging es zwischen bemoosten Felsen auf beiden Seiten bergab. Orte wie dieser hatten eine starke Wirkung auf Karin.
    »Stell dir das mal vor«, begann sie, bevor Robban ihr ins Wort fiel.
    »Nun geht das wieder los. In den Fußstapfen früherer Generationen … Schmuggler und Zöllner, Laufburschen und …«, deklamierte Robban pathetisch und zerstörte damit die Stimmung.
    Der Geruch nach Rauch und Feuer schlug ihnen entgegen, und ein Mann in einer mittelalterlichen Kutte löste sich plötzlich aus dem Schatten der Felsen. Robban zuckte zusammen.
    »Seid gegrüßt, Fremdlinge«, sagte der Mann mit der Zipfelmütze und dem Mantel. »Ich bin ein Wachposten aus vergangener Zeit.«
    »Mann, hast du mich erschreckt«, sagte Robban.
    »Ich bitte demütigst um Entschuldigung. Wer seid ihr, die ihr an einem Tag wie diesem den Sankt-Eriks-Wald passieren wollt?« Der Mann gestikulierte mit dem Speer, dener in der rechten Hand hielt. Mit der linken hielt er sich einen kunstvoll bemalten Schild voller Kerben vor die Brust.
    Karin musterte ihn fasziniert. Robban war derjenige, der schließlich das Wort ergriff, nachdem er Karins geöffneten Mund gesehen und begriffen hatte, dass daraus vorerst nichts Sinnvolles kommen würde.
    Der Mann antwortete nicht, nachdem Robban sich vorgestellt hatte. Er nickte nur kurz und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, dass sie ihm folgen sollten. Der Pfad ging nun steil bergab, und sie gelangten in ein Wäldchen, das ringsum von Felsen umgeben war, die einen natürlichen Schutz vor der Außenwelt boten. Wie ein großer Topf, in dem es nach Wald und dem verrottenden Laub vom vergangenen Jahr duftete. Das Meer war weder zu sehen noch zu hören.
    Menschen in mittelalterlicher Kleidung hielten sich hier auf. Karin zählte vierzehn Personen. Einige Ziegen, Schweine und Hunde liefen frei herum. Zwei offene Feuer brannten, über dem einen hing ein gusseiserner Kessel, über dem anderen eine große Bratpfanne, in der es qualmte und zischte.
    Sie sah sich um, konnte aber keine Zelte entdecken.
    »Wo wohnen die wohl?«, fragte sie Robban.
    »Grand Hotel«, flüsterte Robban und musste über Karins enttäuschtes Gesicht grinsen. »Natürlich tun sie das nicht. Sie wohnen hier im Wald.« Er sprach mit seiner tiefsten Stimme. »Sie leben hier seit Urzeiten und sind eigentlich unsichtbar, aber alle dreihundert Jahre werden sie an einem Freitag im September sichtbar, wenn der Vollmond scheint …«
    Karin machte sich nicht einmal die Mühe, ihm zu antworten. Der Wachposten hatte sie gebeten, hier zu warten, und Karin und Robban blieben gehorsam stehen, während er zu einem langhaarigen Mann ging, der nun mit großenSchritten auf sie zukam. In der Hand hielt er einen Gegenstand, der an einen Hirtenstab erinnerte.
    »Da kommt Gandalf«, flüsterte Robban.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du Tolkien gelesen hast«, erwiderte Karin erstaunt.
    »Habe ich auch nicht, aber die Filme gesehen.«
    Robban stellte sich und Karin noch einmal vor, bevor er fragte, wie lange die Gruppe schon hier war. Karin fand es gut, dass er noch nichts von der Leiche und dem Kopf erzählte, die am Morgen entdeckt worden waren. Solche Dinge hatten manchmal eine hemmende Wirkung auf die Fähigkeit der Menschen, Fragen zu beantworten. Anstatt vorbehaltlos zu erzählen, begannen sie dann, Vermutungen über das anzustellen, was die Leute gesagt und getan hatten. Sie handelten sicherlich in guter Absicht, aber das

Weitere Kostenlose Bücher