Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Kindern in die Badewanne gestiegen, und Sara nutzte die Gelegenheit, um Majken anzurufen und sie zu fragen, was sie von der Idee hielt, nach lebenden Nachkommen der angeblichen Hexe Malin im Winkel zu suchen.
»Wie schön, dass du anrufst«, rief Majken, als sie Saras Stimme hörte.
»Wie geht es dir?«, fragte Sara.
»Schon viel besser. Seitdem der Arzt eins meiner Medikamente gegen ein anderes ausgetauscht hat, bin ich viel wacher. Vielleicht ziehe ich wieder nach Hause. Was ist denn so in unserer Straße los?«
»Wieder nach Hause?« Sara fragte sich, ob Majken von dem geplanten Hausverkauf überhaupt wusste. »Ich dachte, das Haus soll verkauft werden?«
»Verkauft? Ach, was! Wie kommst du denn darauf?«
Sara überlegte, wie sie Majken möglichst schonend beibringen könnte, dass ihr Sohn das Haus bereits zwei Interessenten gezeigt hatte.
»Ich dachte, das Haus ist auf deinen Sohn eingetragen?«
»Nein, es gehört mir, und im Grundbuch steht mein Name. Der gute Peter sieht überall nur Kronen und Öre und hat keinen Sinn für wahre Werte.«
»Dann solltest du ihn vielleicht anrufen und ihm sagen, dass es dir wieder besser geht.«
»Natürlich, das werde ich tun, aber du hast doch sicher etwas anderes auf dem Herzen. Da ich bereits mit Georg über die Ausstellung gesprochen habe, kann ich mir vorstellen, warum du anrufst.«
»Ich weiß, dass du dich mit Ahnenforschung beschäftigst«, sagte Sara, »und ich überlege, ob man nicht untersuchen könnte, ob Malin im Winkel noch lebende Nachkommen hat. Was meinst du?«
Am anderen Ende der Leitung war es eine Weile still.
»Malin im Winkel? Doch, die Idee gefällt mir. Ich kann nicht versprechen, dass es geht, aber ich werde mein Bestes geben. Von einer lebenden Person auszugehen und sich zeitlich gesehen rückwärts zu bewegen ist einfacher, als den umgekehrten Weg zu nehmen.«
»Wieso?«, fragte Sara.
»Wenn du von einer lebenden Person ausgehst, hast du das ›Ergebnis‹ ja schon in der Hand, du weißt, welche Zweige Früchte getragen und den Baum haben weiterwachsen lassen, weil du ja immer nur nach den Eltern suchst. Wenn du das Ganze umdrehst – stell dir vor, eine Person aus dem achtzehnten Jahrhundert hatte fünf Kinder, was keine Seltenheit war, und diese Kinder bekamen auch jeweils fünf Kinder, dann haben wir es ganz schnellmit einer großen Anzahl von Menschen zu tun, obwohl wir erst die dritte Generation erreicht haben. Einige sind zwar bestimmt schon in jungem Alter gestorben, aber wir müssen trotzdem alle untersuchen, um festzustellen, welcher Zweig einer Familie weiterlebt. Da muss man die Lebensdaten von extrem vielen Personen recherchieren. Wir reden schließlich von zehn oder vielleicht sogar zwölf Generationen.«
Sara war enttäuscht. »So weit habe ich gar nicht gedacht.«
»Nein, und jetzt lassen wir uns davon mal nicht entmutigen. Ich finde deine Idee richtig spannend. Dann wäre da noch die Sache mit der Dokumentation. Die Kirchenbücher von Marstrand gehen zurück bis ins Jahr 1685, aber da war Malin bereits hingerichtet. Im achtzehnten Jahrhundert wurden wohl die Seelenregister eingeführt. Aber ich habe da noch ein paar Ideen.«
»Ich habe einiges über die Hexenprozesse gelesen und finde das alles so grauenhaft. Besonders bei den Frauen, die Kinder hatten oder erwarteten. Man hat gewartet, bis die Kinder auf der Welt waren.«
»Es waren harte Zeiten, Sara. Wenn sich niemand um die Kinder kümmern konnte, weil die Eltern krank wurden, verunglückten oder auf eine andere Weise ums Leben kamen, wurden sie versteigert. Oft landeten Geschwister nicht am selben Ort. Außerdem bekam derjenige die Kinder, der am wenigsten Geld dafür verlangte, dass er sich um sie kümmerte. Die Schande, die es mit sich brachte, wenn man das Kind einer hingerichteten Frau war, können wir uns gar nicht ausmalen. Sie überdauerte viele Generationen.«
Majken seufzte laut in den Hörer. Sara sah deutlich vor sich, wie sie so heftig den Kopf schüttelte, dass ihre weißen Locken wippten.
»Ich melde mich, sobald ich etwas herausgefunden habe, aber du musst dich darauf einstellen, dass es ein wenig dauert.«
Sara bedankte sich und legte auf.
Auf gut Glück schlug sie ein Buch auf, das auf dem Tisch lag, und vertiefte sich in eine Beschreibung der Kinder, die mit ansehen mussten, wie ihre Mutter geköpft und anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. In den Fällen, wo die Frauen bei lebendigem Leib verbrannt werden sollten, bestachen
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