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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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was ich in Tokio viel zu häufig tat –, würde ich etwas tiefer in die Tasche greifen und in ein Hotel gehen müssen. Ich entschied mich für ein pseudoschweizerisches Mahl im Alpenhof, einem Fachwerkchalet mit glitzernder Weihnachtsbeleuchtung. Das Restaurant servierte mehrgängige Menüs mit viel Fleisch, die bei fünfunddreißig Dollar anfingen, so daß ich beinahe schon gehen wollte. Der Oberkellner verriet mir, daß das Essen in der Bar auf der anderen Seite der Lobby billiger sei. Ich drängelte mich durch eine Gruppe Skifahrer, die sich betranken und zur Musik der Pet Shop Boys sangen.
    Als ich Hugh Glendinning in der Ecke entdeckte, war ich nicht überrascht. Eine europäische Bar war eine Heimat fern der Heimat für jeden gaijin, die etwas abschätzige Bezeichnung für Ausländer. Doch außer uns waren keine weiteren gaijin hier, und als ich genauer hinsah, bemerkte ich, daß Hugh das Gesicht in den Händen vergraben hatte. Neben ihm standen zwei Gläser, beide leer. Ich wartete ein wenig, und als niemand auftauchte und sich neben ihn setzte, tat ich es.

5
    »Noch einen Macallan pur«, sagte er, ohne aufzublicken.
    »Alkohol bringt sie auch nicht wieder zurück.« Ich schob ihm die Packung Taschentücher zu, die ich immer dabeihatte. Er warf sie mir wieder zurück.
    »Ich denke nur nach. Und versuche allein zu sein, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Ich achtete nicht auf seine Bemerkung, setzte mich und signalisierte der Kellnerin, mir eine Karte zu bringen. »Wir nehmen beide Tee«, sagte ich entschlossen auf japanisch und bestellte gegrillten Käse für mich, ein seltener Genuß.
    »Sie sind unausstehlich. Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?« brummte Hugh.
    »Vielen Dank, daß Sie mir Ihren Assistenten hinterhergeschickt haben. Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen!«
    »Seien Sie mal einen Moment still«, sagte er, als die Kellnerin mit einer etwas anderen Bestellung wiederkam: zweimal gegrilltem Käse, zwei Gläsern Whiskey und einer Tasse lauwarmen Wassers mit einem Liptonbeutel daneben. Sie war schon unterwegs zum nächsten Tisch, bevor ich protestieren konnte.
    »Sie können genausogut probieren«, sagte Hugh und stieß sein Glas an meines.
    Ich nahm einen Schluck. Der Whiskey brannte, und ich kniff die Augen zusammen. Hugh goß die halbe Tasse Wasser aus meiner Teetasse dazu.
    »Tut mir leid. Ich habe vergessen, daß das nicht jeder gewöhnt ist. Versuchen Sie jetzt noch mal.« Nachdem ich es getan hatte, sagte er: »Yamamoto hat danach mit mir gesprochen. Ich habe ihn nicht gebeten, Sie zu belästigen.«
    »Kennen Sie denn seine Theorie?« fragte ich.
    »Die Geschichte von wegen Selbstmord aus finanziellen Gründen? Blödsinn.« Er glaubte es also auch nicht. Trotz meines ersten Eindrucks von ihm, den ich am Silvesterabend gewonnen hatte, spürte ich langsam eine Art Band zwischen uns. Ich beschloß ihm zu erzählen, was mir während der letzten Stunden durch den Kopf gegangen war.
    »Wenn ich gestern abend nicht diese Szene gemacht hätte, dann wäre es vielleicht nicht passiert.« Ich trank noch einen Schluck Whiskey.
    »Welche Szene?« Hugh sprach etwas schleppend.
    »Wissen Sie nicht mehr, wie wir uns im Gang vor Ihrem Zimmer unterhalten haben? Setsuko ist herausgekommen und wollte zu Ihnen. Sie wollte, daß Sie mit ihr baden. Weil ich dabeistand, haben Sie nein gesagt. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Sie bei ihr geblieben wären?«
    »Wollen Sie andeuten, ich hätte mit ihr baden sollen?« Hugh klang entrüstet. »Von welchem Planeten stammen Sie eigentlich? Ach, klar, Kalifornien. Vielleicht baden in Ihrer Gesellschaft verheiratete Frauen ständig mit den Kollegen ihrer Männer.«
    »Ich will, daß die Polizei ordentlich ermittelt.« Ich versuchte, beim Thema zu bleiben. »Wenn Sie etwas verschweigen, könnten wir beide Schwierigkeiten bekommen.«
    »Sie sind doch so dick befreundet mit dem Polizisten!«
    »Ganz und gar nicht. Ich habe die Leiche gefunden. Leute, die Leichen finden, sind für gewöhnlich diejenigen, auf die der erste Verdacht fällt. Als Rechtsanwalt müßten Sie das doch wissen.«
    »Ich bin Zivilanwalt, nicht Strafverteidiger. Aber lassen Sie sich versichern, niemand verdächtigt Sie irgendwelcher Missetaten. Und was Ihre angebliche Schuld betrifft, ich glaube, Sie haben zu viele Krimis gelesen.«
    »Mir bleibt wenig Zeit, zu lesen. Ich arbeite nämlich sehr viel«, schnauzte ich ihn an. »Dieser Urlaub – der erste seit zwei Jahren – scheint zu einem

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