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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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er hatte das Wort Mord ausgesprochen, was ich gedacht, aber nicht gesagt hatte, als wäre es etwas, was ich einfach von mir wegschieben könne.
    Die Polizei hatte nichts von einem gewaltsamen Tod gesagt, aber Nakamura hatte es. Er wußte etwas. Das Herz pochte mir in den Ohren und erinnerte mich an die Worte meines Cousins Tom – der Arzt war –, als ich befürchtet hatte, die Ursache für meine Kopfschmerzen wäre ein Gehirntumor: Wenn du Hufschlag hörst, denke an Pferde, nicht an Zebras. Suche das Offensichtliche, nicht das Geheimnisvolle. Und wenn eine unglücklich verheiratete Frau ermordet wurde, lag es nahe, daß der Verdacht auf den Ehemann fiel.

6
    »Hier wurden Frauen gefoltert. Ich sollte besser sagen, hier wurden Männer und Frauen gefoltert. Rei-san, verstehen Sie, wie dieser entsetzlich schmerzhafte Stuhl funktioniert?«
    Offensichtlich genoß Taro unseren Rundgang durch die Folterkammer des Rathauses von Shiroyama. Bei meiner düsteren Stimmung war es ein Fehler gewesen, mitzukommen. Ich hätte meine Sachen gepackt und mich von Taro und Yuki verabschiedet, hätte Mrs. Yogetsu nicht verkündet, sie würde niemandem Geld zurückerstatten, der aus irrationalen Gründen nach dem ›außergewöhnlichen Unfall‹ abreisen wolle. Schließlich sei auch die Polizei nicht der Meinung, daß man abreisen müsse.
    Ich wollte Captain Okuhara unbedingt erzählen, was mir Hugh über die von Setsuko gewünschte Scheidung gesagt hatte. Eigentlich hatte ich Hugh vorher um Erlaubnis bitten wollen, aber er war mit seinen Kollegen unterwegs. Ich war allein mit den Ikedas und Mrs. Chapman. Und dem Stuhl.
    Die fragliche Sitzgelegenheit sah ganz normal aus, bis auf die spitze Pyramide, die aus der Mitte der Sitzfläche aufragte. Als Taro in seinem hervorragenden Englisch genau beschrieb, wo diese hineinstieß, bremste ihn Yuki.
    »Nicht, Taro! Ich habe Angst, Mrs. Chapman und Rei-san bekommen Übelkeit.«
    »Jemand mit einem Samurai-Namen wie Shimura wäre auf Tatami verhört worden«, fuhr Taro fort und warf mir einen koboldhaften Blick zu. »Gewöhnliche Leute saßen auf dem kalten Steinboden.«
    »Was war mit Ausländern?« fragte Mrs. Chapman.
    »Ausländer? Damals war Japan abgeschlossen von der Welt. Es gab keine Ausländer, und schon gar nicht im Gefängnis!« beruhigte Taro sie.
    Heute waren eine Menge hier. Eine belgische Gruppe, die aus Kyoto gekommen war, lauschte interessiert Taros Erklärungen über eine Wand, die mit Peitschen geschmückt war. Bald hatte er die Hälfte von ihnen entführt, und die Geschichten wurden immer wilder.
    »Rei? Mir geht es nicht gut.« Ausnahmsweise einmal war Mrs. Chapmans sonst so rosiges Gesicht ganz blaß.
    Yuki und ich wechselten Blicke und führten sie durch den eiskalten Hof zu neutraleren, zivilen Gebäuden. Mein Interesse fiel auf einige Lagerhäuser, in denen früher Reis aufbewahrt worden war, als Steuerabgabe für den Shogun; die Gebäude waren mit feinen gestanzten Fingernagelkappen aus Metall verziert, die aussahen wie Kaninchen mit langen Ohren. Ich fragte Yuki, ob das Fruchtbarkeitssymbole seien, und sie kicherte, als hätte ich etwas Unanständiges gesagt.
    »Nein! Im Prospekt steht, es symbolisiert die Macht des Shoguns, daß die Ohren lang sind und alles hören können, was vor sich geht, egal wie weit entfernt es ist.«
    So wie die Leute von Sendai Electronics, die spürten, daß Schwierigkeiten im Anzug waren, und sofort kamen, um sich darum zu kümmern. Ich dachte an die Firmenrepräsentanten, die am vorigen Abend gekommen waren und jetzt im Zimmer neben mir schliefen. Sie rauchten ununterbrochen. Sie waren unangenehme Zimmernachbarn; ich hoffte, daß sie nicht die ganze Woche blieben.
    Nach dem Museum beschlossen wir, in einer einfachen Snackbar zu Mittag zu essen, die die Ikedas von ihrem letzten Urlaub her kannten. Ich nahm eine vegetarische Nudelpfanne und freute mich, daß Mrs. Chapman ihr knuspriges Schweinekotelett schmeckte, das erste, was sie aufaß, seit wir hier waren. Wir aßen in genießerischem Schweigen, und als ich meine zweite Tasse Tee trank, sprach ich endlich das aus, was wir den ganzen Vormittag vermieden hatten. »Was wird denn jetzt Ihrer Meinung nach wegen Mrs. Nakamuras Tod unternommen?«
    »Das kommt darauf an, ob sie es als Mord oder als Selbstmord behandeln«, erwiderte Taro prompt.
    »Wie kommen Sie darauf, daß sie ermordet worden ist? Kann sie nicht eines natürlichen Todes gestorben sein?« fragte ich.
    »Paß auf, Taro, du

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