Die Tote im Badehaus
Tisches, alles war vorbereitet.
»Es wird aber auch Zeit, daß du kommst«, beschwerte sich Richard, als wäre ich ständig auf Achse, ohne mich um andere zu kümmern.
»Ich habe die Zeit vergessen. Ich habe zuviel im Kopf.« Da ich mein Abendessen verschenkt hatte, mußte ich mir etwas kochen. Auf dem Herd standen noch die Reste eines Nudelgerichts aus den letzten meiner Shiitakepilze und den Linguine, die mir meine Mutter letzten Monat geschickt hatte.
»Wir haben dir die Arbeit abgenommen, für uns zu kochen«, flötete Karen.
»Rei, das mit Shiroyama kann ich gar nicht fassen. Wir müssen das nächste Mal zusammen dorthin fahren«, meinte Simone und zog an ihrer Gauloise.
Das Telefon klingelte. Richard rollte sich über den tatami, um abzunehmen. »Moshi-moshi. Ja. Ja. Ich spreche Englisch. Aber nicht mit so einem Akzent.« Er hörte einen Augenblick zu. »Ich heiße Richard. Und ich habe das Gefühl, daß ich schon weiß, wie du heißt, Babe.«
Das konnte nur ein Mensch sein. Ich entriß ihm das Telefon und sagte atemlos hallo.
»Du hast mir gar nicht erzählt, daß du mit einem Mann zusammenlebst!« Wie ich vermutet hatte, war Hugh Glendinning am anderen Ende.
»Das geht dich auch nichts an«, sagte ich und sah Richard an, der die Zunge herausstreckte, die jetzt von einer goldenen Kugel geziert war. »Iih, das ist ja schrecklich!«
»Da siehst du mal, was du auf der Silvesterparty verpaßt hast!« Simone zog ihren Pullover hoch und präsentierte ihren goldberingten Nabel. »Du hättest dich auch piercen lassen können.«
»Was ist denn bei dir los, feierst du eine Party?« Hugh klang wütend.
»Nein, es ist meine Lerngruppe. Vielleicht könntest du später noch mal anrufen … woher hast du eigentlich diese Nummer?« wollte ich wissen. Sie stand nur unter Richard Randall im Telefonbuch.
»Ich habe sie aus deiner Freundin Yuki herausgequetscht, und ich lege erst auf, wenn du mir gesagt hast, warum du abgefahren bist.«
»Du stellst zu viele Fragen.« Das rutschte mir heraus, bevor mir einfiel, daß ich dasselbe während unserer ersten Küsse im Auto gesagt hatte. Ein langes Schweigen folgte. Hugh erinnerte sich wahrscheinlich ebenso daran.
»Bist du wegen der Halskette gefahren?« fragte er.
»Ja. Interessant, daß etwas so Wertvolles in deinem Wandschrank gelandet ist.«
»Du glaubst mir wahrscheinlich nicht, wenn ich dir sage, daß sie mir jemand untergeschoben hat.«
»Nein, das tue ich nicht.« Als er nicht antwortete, sagte ich: »Erzähl mir von Yamamoto.«
»Er wird immer noch vermißt. Seit gestern habe ich alle Pisten abgesucht. Heute bin ich bei der Suche hingefallen und habe mir den Knöchel verstaucht. Ich war den ganzen Nachmittag im Krankenhaus.«
»Du Ärmster. Konntest du mit den Ärzten reden?«
»Nicht so gut. Es wäre eine große Hilfe gewesen, wenn du für mich übersetzt hättest.« Er wurde still. »Wenigstens bin ich nicht so gestürzt wie Yamamoto. In einer Schlucht hat man seine Ski entdeckt, aber die Stelle ist unzugänglich.«
»Also nimmt man an, er ist …« Das Wort tot konnte ich nicht aussprechen, es war zu entsetzlich. »Glaubst du, der Unfall steht in Verbindung mit dem, was vorher passiert ist? Vielleicht hat ihn jemand den Abhang hinuntergestoßen, weil er zuviel weiß?«
»Das könnte natürlich sein, und dabei fällt mir der Autopsiebericht wieder ein. Du mußt ihn so schnell wie möglich übersetzen, ja?«
»Ich schicke ihn mit der Post in dein Büro, dann kannst du ihn von einem Fachmann übersetzen lassen. Wir haben nichts miteinander zu tun, Hugh.« Seine selbstverständliche Anweisung ärgerte mich so, daß ich nicht erwähnte, daß ich zur Unterstützung an meinen Cousin Tom gedacht hatte.
»Ach so, eine Persönlichkeitsspaltung. Gestern morgen warst du mir aber noch sehr verbunden, wenn ich mich recht erinnere. Du hast mir sogar versprochen, etwas Bestimmtes immer wieder zu tun …«
»Paß bloß auf. Du telefonierst wahrscheinlich vom Gang aus?« Ich war auch nicht besser dran, denn meine Freunde hatten ihre Unterhaltung abrupt unterbrochen, um zuzuhören.
»Nein, ich stehe mit meinem Handy auf Krücken in einem halben Meter Schnee, weil ich in der Pension keiner verdammten Seele traue!« Hugh hatte die Beherrschung verloren und brüllte in das Telefon. »Weil ich zwei Freunde verloren habe und der einzige Mensch, der mir helfen kann, es nicht will. Denk mal darüber nach, Fräulein Sittsam!«
Er legte auf, und irgendwie hatte ich jetzt
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