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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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Ein Moment eisigen Schweigens folgte. Ich stellte mir vor, wie er in einem gestärkten Hemd mit Manschettenknöpfen aus irgendeinem wertvollen Metall an einem großen Schreibtisch saß. »Lassen Sie mich Ihnen sagen, daß dies ein recht ungewöhnlicher Fall für das Konsulat ist. Ich kenne Leute, die der Trunkenheit und des ungebührlichen Benehmens bezichtigt wurden, des Drogenkonsums und solcher Sachen. Aber Mord, damit hatten wir bislang noch nichts zu tun.«
    »Ich dachte, Sie seien sein Freund. Sie glauben doch nicht, daß er es getan hat?«
    »Ich bin nicht zur japanischen Polizei gegangen, Miss Shimura. Sie schon.«
    »Mein Anruf bei der Polizei war ein gutgemeinter Akt, der leider falsch verstanden wurde. Ich möchte wissen, wie wir jetzt weiter vorgehen, und wie es Hugh im Gefängnis geht.«
    Piers Clancy hustete, als hätte er sich an irgend etwas verschluckt.
    »Ich war noch nie in Shiroyama. Aber unser Konsul war in mehreren Haftanstalten in der Region und fand sie alle spartanisch, aber sicher. Es besteht keine Gefahr der Vergewaltigung oder Gewaltanwendung, da sich die Gefangenen untereinander nicht sehen.«
    »Aber die Polizei ist bekanntermaßen brutal. Ich habe von einem iranischen Schmuckhändler gehört, der so schlimm verprügelt wurde, daß er danach taub war!«
    »Sie wären verrückt, einen britischen Anwalt zu schlagen.« Piers lachte ein wenig grausam. »Es hängt alles davon ab, ob man die Regeln kennt. Ich habe mit Hugh darüber gesprochen: Er soll die Wächter nicht ansehen und erst mit ihnen sprechen, wenn er selbst angesprochen wird, und so weiter. Wenn er geschlagen wird, soll er es uns sofort mitteilen, und wir legen offiziell Protest ein.«
    »Wunderbar«, sagte ich höchst ironisch. »Was können Sie sonst noch für ihn tun?«
    »Ausländische Konsulate können sich nicht in das japanische Rechtssystem einmischen, und es wird auch nicht von ihnen erwartet. Doch als Privatmann werde ich ein Leumundszeugnis abgeben, das dem Richter bei der ersten Anhörung vorgelegt werden kann.«
    »Es würde wohl nichts nützen, bei Sendai nachzufragen, ob jemand für ihn bürgt? Der Vorstandsvorsitzende oder der Geschäftsführer?« Ein ausländischer Diplomat mittleren Rangs war nicht halb soviel wert wie ein japanischer Firmenchef.
    »Von dieser Seite her herrscht tödliches Schweigen, bis auf die Mitteilung, daß man Verständnis zeigen würde, wenn er kündigen wolle.«
    »Wissen die denn nicht, daß er es war, der wollte, daß die Autopsie überprüft und das Bad durchsucht wird? Wenn Hugh jemanden umgebracht und so viel Glück gehabt hätte, daß es als Unfall durchgeht, hätte er sich dann nicht einfach ruhig verhalten?« Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus.
    »Hugh wird sicherlich verfeinerte Versionen einiger dieser Argumente vortragen. Und er arbeitet mit Ota an einem Alibi für die Zeit, in der er angeblich mit dieser Frau gebadet hat …«
    »Er ist nicht mit ihr im Bad gewesen. Ich weiß das, weil er vor dem Abendessen nasse Haare hatte. Er und Mr. Yamamoto.«
    »Ich schätze Ihr Erinnerungsvermögen, aber da Yamamoto vermißt wird und sehr wahrscheinlich tot ist, stehen wir nicht allzu gut da.«
    Piers Clancy wollte eindeutig nicht mit mir zusammenarbeiten. Ich war voll und ganz auf seine Gnade angewiesen. »Sprechen Sie Hugh heute noch einmal? Würden Sie ihm sagen, daß es mir leid tut?«
    »Miss Shimura, bitte. Ich lasse es Sie wissen, wann beziehungsweise ob er herauskommt.« Die Stimme des Diplomaten wurde schwächer, als wäre er im Geiste schon bei einem anderen Punkt der Geschäftsordnung. »Bis dahin seien Sie bitte ein braves Mädchen, und halten Sie sich von Journalisten fern, ja?«
     
    Die nächste Person auf meiner Liste, Hikari Yasui, war erheblich freundlicher.
    »Das Problem wird bald geklärt sein, Miss Shimura. Alle helfen mit«, sagte sie in gutem Englisch mit der piepsigen, gefälligen Intonation, die mir verriet, daß sie etwa so alt wie ich und wahrscheinlich sehr hübsch war. Eine typische Sekretärinnenstimme; im Vergleich hörte ich mich an wie ein Bär.
    »Was genau ist eine tsuya? Ist das die Bestattung?« fragte ich.
    »Nein. Die Einäscherungszeremonie ist nur für Verwandte. Die tsuya kommt zuerst, damit sich Freunde und Nachbarn noch von der Verstorbenen verabschieden können. Zu Hause wird ein Altar errichtet, wo die Leute beten und mit anderen ihre Erinnerungen an den geliebten Menschen austauschen.«
    »Ich kenne die Etikette nicht.« Mit

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