Die Tote im Badehaus
der Rückfahrt von Yokosuka würde das ganz gut passen.«
»Wovon redest du?« Sie klang nicht sonderlich begeistert.
»Ich muß heute für ein paar Stunden nach Yokosuka, und ich dachte, du würdest vielleicht gerne mitkommen. Du willst doch herausfinden, wer dein Großvater ist, nicht?«
»Als Leibwächter sollte ich da ein Wörtchen mitzureden haben«, warf Richard ein. »Die yakuza sind überall. Ich persönlich finde, Mariko sollte zu Hause bleiben, um sich ihre Fingernägel frisch zu lackieren und Videos mit mir anzuschauen.«
»Mariko trägt ihre Dreadlocks, und es dauert nicht lange. Ich muß mit einem ehemaligen Matrosen in Yokosuka reden, der sich vielleicht an deinen Großvater erinnert. Wenn sie persönlich mit ihm spricht, fühlt er sich bestimmt verpflichtet.«
»Sprich doch bitte direkt mit mir, nicht über ihn!« beschwerte sich Mariko.
»Okay, Mariko, es ist nur eine Stunde entfernt«, bat ich.
»Ich weiß«, meinte sie ungeduldig. »Ich bin dort geboren. Als ich klein war, habe ich mit Kiki dort gewohnt.«
»Dann kannst du mich ja führen!« Ich war ganz aufgeregt.
»Ich komme mit. Unter einer Bedingung«, sagte Mariko.
»Was immer du willst«, versprach ich vorschnell.
»Richard kommt auch mit.«
17
Auf den ersten Blick wirkte Yokosuka wie die Verschmelzung einer japanischen Kleinstadt und einer amerikanischen Großstadt. Junge Männer in übergroßen Jeans tanzten zu einem dröhnenden Breakdance-Beat aus einem Ghettoblaster, den einer auf der Schulter trug. Reklametafeln warben für Hot dogs und Levi’s Jeans in amerikanischen Größen. Hinter einer Parkbucht voller Taxis und japanischer Busse waren die glitzernde blaue Bucht sowie die Überreste eines alten Militärwachturms und einer kaputten Betonmauer zu sehen.
»Der Teil hat der Kaiserlichen Marine gehört, bevor die Amerikaner gekommen sind«, erzählte Mariko. »Siehst du die alten Eisenbahnbohlen im Gras? Da haben sie Waffen und Vorräte reingebracht. Jetzt ist das alles ein öffentlicher Park. Dort drüben in dem Pool habe ich Schwimmen gelernt.«
»Du hast bestimmt entzückend ausgesehen!« Richard hatte schon die ganze Zeit mit ihr geflirtet, so daß ich mich allmählich fragte, ob ein Leopard Streifen bekommen konnte.
»So entzückend, daß die meisten Mütter nichts mit mir zu tun haben wollten.« Mariko kaute auf der Unterlippe. »Wenn wir aus dem Wasser kamen, haben sie die anderen Mädchen immer ermahnt, sich im Schatten aufzuwärmen, damit sie nicht so braun werden wie ich.«
»Du kennst dich gut aus mit japanischer Geschichte.« Ich wechselte das Thema, damit sie auf andere Gedanken kam.
»Das einzige, was ich kenne, ist mein mieses kleines Leben!«
Wir liefen etwa zehn Minuten und kamen an einem glänzenden Hotelturm und einem riesigen Einkaufszentrum vorbei, die neu gebaut worden waren, wie Mariko sagte. In einem Geschäft, in dem es militärische Abzeichen und Aufnäher gab, saß eine ältere, großmütterliche Japanerin hinter einer Nähmaschine. Sie hob abwehrend die Hände, als ich eintrat.
»Keine Jesussachen mehr, okay? Ich kaufe schon WACHTURM.«
»Verzeihung?« fragte ich irritiert auf japanisch.
»Baptisten oder Jehovah? Sie sind wiedergeboren, von dieser Kirche, neh?« Argerlicherweise sprach sie auf englisch weiter.
»Auf dem Stützpunkt gibt es alle möglichen Spinner, die mit Flugblättern herumlaufen, Amerikaner und konvertierte Japaner«, erklärte Mariko leise. »Das war schon so, als ich klein war.«
»Ich gehöre keiner Glaubensgemeinschaft an«, sagte ich freundlich lächelnd. »Ich suche den Club der Veteranen. Kennen Sie ihn?«
»So früh am Samstag vormittag eine Bar? Was sind Sie denn für ein Mädchen?« rief die Frau.
»Ein ganz schlimmer Finger!« Richard war entzückt.
»Ich brauche nur eine Auskunft.« Ich versuchte, Haltung zu bewahren.
»Ich kenne gar niemanden mehr.« Die Näherin zog eine Schublade auf, nahm eine kleine Pfeife heraus und zündete sie an.
»Es kommen doch bestimmt viele Soldaten hierher«, versuchte ich sie zu ermuntern.
»Die alten Männer sind alle wieder in den Staaten. Sie sagen, Japan zu teuer jetzt. Sogar die jungen Soldaten kaufen nicht so viele Abzeichen.« Sie deutete auf ihre Auslage, die Hunderte von Aufnähern mit applizierten Motorrädern, Schiffen und Heavymetal-Motiven zierten. »Das Skelett mußte ich wegnehmen, wegen den Missionaren.«
»Soll das heißen, Sie beugen sich der Zensur? Sehen Sie sich doch Ihre Landsleute dort draußen
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