Die Tote im Keller - Roman
versuche, Ihnen zu helfen. Ich will Ihnen doch nur erklären, was passiert«, sagte sie.
Sie versuchte ruhig und vertrauenerweckend zu wirken. Sie hatte den Eindruck, dass sie und der hyperaktive junge Mann auf der anderen Seite des Tisches doch schon eine Art vorsichtiger Beziehung zueinander entwickelt hatten. Und dann trampelte
Jonny mit seinen hundert Kilo daher und zerstörte dieses zerbrechliche Vertrauen. Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu und wandte dann wieder ihre ganze Aufmerksamkeit Niklas zu.
»Wir müssen also zwei Fälle aufklären. Beide Straftaten wurden ungefähr gleichzeitig verübt. Zum einen geht es um die Fahrerflucht mit Todesfolge. Zeugen sahen zwei Männer in einem BMW, der in der Stampgatan gestohlen worden war. Vor der Fernsehanstalt überfuhren sie einen Mann, der sofort seinen Verletzungen erlag. Wir werden mit Ihnen und Billy eine Gegenüberstellung veranstalten. Auf Sie passen die Beschreibungen, die wir bekommen haben, nämlich sehr gut. Es ist ein ernstes Vergehen, ein Auto zu stehlen und jemanden umzufahren. Aber immer noch weitaus weniger ernst als ein vorsätzlicher Mord. Und das ist das andere Verbrechen, mit dem wir uns gerade befassen. Und Mord gibt eine ordentliche Strafe.«
Sie hielt inne, damit er das Gesagte verarbeiten konnte. Niklas schwieg, aber Irene hatte das deutliche Gefühl, dass er ihr zuhörte.
»Nachdem wir den BMW brennend in der Einfahrt zum Kanuclub gefunden hatten, haben wir die Gegend dort natürlich gründlich abgesucht. Mit unzähligen Polizisten und mit Hunden. Dabei haben wir die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Sie war ungefähr zu jenem Zeitpunkt ermordet worden, als der BMW in die Abzweigung eingebogen war. Ihre Leiche lag unmittelbar neben diesem Weg versteckt.«
Irene sprach ein stilles Gebet, dass Jonny so viel Verstand haben würde, den Mund zu halten. Ausnahmsweise schien sie erhört zu werden. Niklas zuckte zusammen und sah sie scharf an.
»Geht es um dieses Mädchen im Keller? Irgendeinem Erdkeller. Das muss es sein! Sind Sie nicht mehr bei Trost? Wir waren…«
Er verstummte und sah Irene finster an. Diese ließ sich davon nicht beeindrucken und fuhr ruhig fort:
»Sie haben also von diesem Mord gehört. Ja, es geht um das
Mädchen im Erdkeller. Sie verstehen sicher, dass sich uns der Verdacht aufdrängt, Sie könnten etwas mit diesem Mord zu tun haben. Sie waren dort. Sie hatten die Gelegenheit. Und …«
»Verdammte Lüge! Wir haben verdammt noch mal nie …«
Niklas atmete heftig und drohte fast an seinem wiederholten, erregten Schnauben zu ersticken.
»Mir ist klar, dass Sie nicht in einen kaltblütigen Mord verwickelt werden wollen. Aber um unseren Verdacht auszuräumen, müssen Sie uns schon die Wahrheit sagen. Sie müssen uns sagen, was an diesem Abend eigentlich geschah.«
Niklas schwieg lange und nagte an seinen abgekauten Fingernägeln. Seine Knie wippten auf und ab, als er seine Füße mit den Zehen vom Boden abstieß. Er atmete rasch und hörbar.
»Ich muss … nachdenken. Und ich will einen Anwalt!«, sagte er mit Nachdruck.
»Natürlich. Wir rufen Ihren Anwalt sofort an. Dann können wir heute Abend oder morgen weiterreden«, erwiderte Irene.
Sie musste sich sehr anstrengen, um ihre Enttäuschung zu verbergen. Natürlich hatte Niklas Anspruch auf einen Anwalt. Aber sie hatte das Gefühl, dass er fast geredet hätte.
Irene stellte das Tonbandgerät ab und wollte schon aufstehen. Niklas hatte sich bereits erhoben.
»Wir haben nichts gesehen. Da war keine Menschenseele! Nur dieses Auto«, sagte er plötzlich.
Irene erstarrte. Ihr Mund war trocken. Jetzt galt es, die richtigen Worte zu wählen!
»Was für ein Auto? Meinen Sie den BMW?«, fragte sie fast gleichgültig und packte Block und Stift in ihre Umhängetasche.
»Nee, was glauben Sie, der Opel. Der weiße Opel!«
Eine Sekunde lang geriet Irene vollkommen aus dem Konzept. Hinter sich hörte sie Jonny nach Luft ringen.
»Sie meinen den Opel, mit dem Sie dann nach Olofstorp gefahren sind?«, brachte sie endlich über die Lippen, als sie sich wieder einigermaßen gesammelt hatte.
Niklas warf den Kopf einige Male hin und her und antwortete dann: »Ja.«
»Billy und Sie haben den kaputten BMW also stehenlassen und angezündet. Dann haben Sie den Wagen genommen, der am Schlagbaum stand. Wie haben Sie den angelassen?«
»Der Zündschlüssel steckte.«
Plötzlich wirkte er vollkommen ruhig. Seine Fingerspitzen hatten begonnen zu bluten, und er hatte
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