Die Tote im Keller - Roman
gesagt … das Übliche. Sie sei hinterhältig. Sie hätte nie Kinder zur Welt bringen sollen. Immer dasselbe.«
Stefan sah betreten aus, als er von seinem letzten Gespräch mit Torleif berichtete. Irene hätte gern mehr über das schwierige Verhältnis von Stefan und seinem Adoptivvater erfahren, aber schließlich war er wegen des Wagens hier. Plötzlich richtete sich Stefan Sandberg auf und sah Irene in die Augen. Mit Nachdruck sagte er:
»Sie finden sicher, ich sei hart gewesen, weil ich den Kontakt zu Torleif abgebrochen habe. Er besaß keine anderen näheren Verwandten mehr und war ein Sonderling. Aber er konnte so wahnsinnig gemein sein … damals, vor zwei Jahren, erzählte ich ihm nämlich auch, dass ich Vater werden würde. Ich dachte, dass er sich freuen würde! Stattdessen fing er mit den schlechten Genen meiner Mutter an und den schlechten Genen meines Vaters … also meines leiblichen Vaters.«
Es war ihm deutlich anzuhören, dass es ihm nicht leichtfiel, davon zu erzählen.
»Wissen Sie, wer Ihr leiblicher Vater ist?«, fragte Irene.
Stefan Sandberg nickte.
»Ja. Meine Mutter erzählte mir alles, als ich fünfzehn war. Wir wohnten in den ersten sechs Jahren nach der Scheidung in Warschau. Mama glaubte nämlich, mein richtiger Vater wohne immer noch dort. Aber dem war nicht so. Es stellte sich heraus,
dass er nur ein Jahr, bevor wir nach Polen gezogen waren, gestorben war. Die klassische Geschichte: Er war viel älter und verheiratet. Sie war seine Sekretärin. Dann wurde sie schwanger. Die gesamte Familie ist katholisch. Sie weigerte sich, das Kind abtreiben zu lassen. Sie verlor ihre Arbeit, weil mein richtiger Vater befürchtete, man könnte ihre Schwangerschaft bemerken. Sie wagte nicht einmal, es ihrer Familie zu erzählen, dass sie schwanger war. Dann antwortete sie auf eine Heiratsanzeige. Von einem schwedischen Mann. Von Torleif.«
Er verzog das Gesicht, als er den Namen seines Adoptivvaters aussprach. Irene war überrascht. Torleif hatte sich per Anzeige eine Frau in Polen gesucht, und er war nicht der Vater des Jungen! Ob Andersson das weiß?, fragte sie sich. Ich muss ihn fragen.
»Wie alt sind Sie?«, fragte sie.
»Neunundzwanzig. Ich werde im April dreißig. Dann wird Amanda zwei. Auch im April.«
Er strahlte, als er von seiner Tochter sprach, und der traurige Ausdruck wich aus seinen Augen.
»Meine Zwillingstöchter werden im März zwanzig, und mein Hund wird im April dreizehn«, meinte Irene.
Sie lächelten sich an, und die Stimmung im Raum war nicht mehr so gedrückt. Das war von Vorteil, denn Irene wusste, dass es recht bald wieder anstrengend werden würde. Sie hatte angefangen »herumzuschnüffeln«, wie Andersson das immer nannte. Sie machte ohne Hemmungen weiter.
»Wie lange waren Torleif und Ihre Mutter verheiratet?«, fragte sie.
»Vier Jahre. Vier Jahre zu viel.«
Sein hübsches Lächeln erlosch, und seine Miene wurde wieder traurig. Aber noch etwas anderes war in ihr zu lesen. Hass? Wut? Angst? Schwer zu entscheiden, aber irgendetwas verbarg sich dort.
»Hat er sie misshandelt?«
»Nein … jedenfalls nicht körperlich. Aber psychisch. Der Altersunterschied war recht groß. Vierzehn Jahre. Sie war gerade
mal zwanzig, als ich zur Welt kam. Er brachte sie mit seinem Kontrollbedürfnis fast um den Verstand. Sie bekam so gut wie kein Geld, musste sich aber trotzdem um den ganzen Haushalt kümmern. Sie musste von nichts Kleider und Essen kaufen. Das sagt sie jedenfalls immer. Aber sie zieht es vor, gar nicht mehr über Torleif zu reden.«
Irene beschloss fortzufahren.
»Können Sie sich an die Jahre mit Torleif erinnern?«
Ihr Gegenüber dachte lange nach und antwortete dann:
»Nein, fast gar nicht. Einmal bekam ich Prügel, weil ich mit seiner Modellautosammlung gespielt hatte. Er sammelte Polizeiautos. Aber das war wohl das einzige Mal, dass er mich geschlagen hat. Aber da wurde es meiner Mutter zu viel. Sie packte ihre Siebensachen und kehrte nach Warschau zurück. Später hat sie mir erzählt, dass sie sich von meiner Großmutter Geld für die Heimreise geliehen hatte. Meine Großmutter hatte vermutlich eingesehen, dass sie in ihrer Ehe im fernen Schweden nicht glücklich war. Aber selbst heute wissen die Verwandten in Polen nicht, dass Torleif nicht mein richtiger Vater ist.«
»Hatten Sie und Torleif in den Jahren, in denen Sie in Polen wohnten, Kontakt?«
»Nein. Überhaupt keinen. Meine Mutter bekam eine gute Arbeit, da sie fließend Schwedisch sprach
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