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Die Tote im Keller - Roman

Die Tote im Keller - Roman

Titel: Die Tote im Keller - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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übersetzte sie, was der Polizeichef gesagt hatte:
    »Inspektor Rejón ist von diesem Fall entbunden. Er hat sich … kompromittiert.«
    Ihre Stimme war in dem großen Zimmer kaum zu hören, aber ihr Englisch war perfekt. Erst da wurde Irene klar, dass sie Engländerin und nicht Spanierin war.

    »Inwiefern hat er sich kompromittiert?«, wollte Irene wissen.
    Sie sah de Viera direkt an, als sie diese Frage stellte, und er verstand sie, ohne dass die Dolmetscherin übersetzen musste. Er sah Irene an und hob dann die Zeitung hoch, die er immer noch zusammengerollt in der Hand hielt. Langsam rollte er sie auf und hielt sie dann Irene hin. Mit einem dicken Zeigefinger deutete er auf ein Foto auf der unteren Hälfte der Titelseite. Auffordernd tippte er mit dem Fingernagel auf das Foto. Irene sollte es sich näher ansehen. Das alte Lederpolster des Stuhls knarrte, als sie sich erhob, um auf ihn zuzugehen. Oben auf der Zeitungsseite stand das Datum des heutigen Tages. Sie beugte sich vor und betrachtete das Bild näher.
    Auf dem Foto waren zwei Personen zu erkennen, eine gutaussehende Blondine Anfang zwanzig und Inspektor Juan Rejón. Beide lächelten in die Kamera. Sie waren gerade aus einer Limousine gestiegen und gaben ein sehr schönes Paar ab. Sie trug ein eng anliegendes, silbernes Abendkleid und er einen hocheleganten dunklen Anzug. Wieder einmal schoss Irene der Gedanke durch den Kopf, dass er als Fotomodell ein Vermögen verdienen könnte, aber offenbar hatte er vor, dieses Vermögen auf andere Art zu erwerben. Die Überschrift lautete: »Nuevo boyfriend«, was selbst Irene verstand. Unter dem Foto standen die Namen Juan Rejón und Julia Saar.
    »Ist Julia Saar mit Lembit Saar verwandt?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
    » Sí «, antwortete de Viera finster.
    »Seine Tochter«, piepste die Dolmetscherin kühn.
    De Viera tat, als habe er sie nicht gehört. Er warf einen hasserfüllten Blick auf das Foto, knüllte die Zeitung dann zusammen und warf sie in den Papierkorb. Anschließend äußerte er ein paar kurze Kommentare, die die Dolmetscherin rasch übersetzte.
    »Da Rejón von dem Fall entbunden ist, berichten Sie dem Polizeichef«, sagte sie.
    »Nur ihm?«, wollte Irene erstaunt wissen.

    » Sí «, sagte de Viera, ehe die Dolmetscherin ihn noch fragen konnte.
    Irene packte den Laptop aus ihrer Tasche. Als sie fragte, ob es einen Projektor für eine Power-Point-Präsentation gäbe, sahen de Viera und die Dolmetscherin sie nur ratlos an. Irene unterdrückte einen Seufzer und war froh, dass sie so voraussehend gewesen war, die Akten zu fotokopieren. Sie hatte einen beachtlichen Papierstapel dabei. Sie reichte dem Polizeichef das erste Blatt und begann:
    »Zunächst wurde nach zwei Männern gefahndet, die einen pensionierten Polizeioberst überfahren hatten. Wir wussten, in welche Richtung das Auto nach dem Unfall verschwunden war. Als die Polizei in der fraglichen Gegend nach dem Fahrzeug suchte, fand sie die Leiche eines jungen Mädchens …«
     
    Es wurde ein langer Nachmittag, und es war bereits Abend, ehe sie fertig waren. Irene hatte vom vielen Reden einen vollkommen trockenen Hals, aber de Viera hatte sich auf seinem Stuhl kaum bewegt, während sie ihm Bericht erstattet hatte, ganz zu schweigen davon, dass er etwas zu trinken besorgt hätte. Erst als sie fertig waren, griff de Viera zum Telefonhörer, wählte eine kurze Nummer und gab ein paar kurze Befehle. Nachdem er aufgelegt hatte, sah er Irene direkt an und feuerte ein paar Sätze ab. Die Dolmetscherin sah aus, als habe sie ernsthaft vor, ohnmächtig zu werden, statt zu übersetzen, was er gerade gesagt hatte. Sie gab sich jedoch einen Ruck und sagte dann:
    »Es werden Erfrischungen gebracht. Dann gehen wir alles im Beisein der anderen Beamten noch einmal durch.«
    Irene glaubte, sich verhört zu haben. Es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, dass dies kein Scherz war. Sie ahnte, wieso sie erst ihm die Fakten hatte vortragen müssen, ehe er ihr gestattet hatte, ihre Erkenntnisse einem größeren Publikum zu präsentieren. Er wollte sich erst vergewissern, dass sich nichts für ihn – genauer gesagt für die Gomez-Gang – Belastendes in den Ermittlungsunterlagen finden würde. Es ging ihm vor allem darum, seine Haut zu retten. Sie spürte, wie die Wut in ihr hochstieg.
Konnte sie sich weigern? Nach kurzer Analyse ihrer Situation kam sie zu dem Schluss, dass das nicht möglich war. De Viera hatte ihre Reise bezahlt. Jedenfalls

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