Die Tote im Maar - Eifel Krimi
herumschnüffelte, um etwas in Erfahrung zu bringen, doch genau das würde ich jetzt tun. Ich hatte meinem Vater nie Fragen gestellt. Nicht eine, dabei hatte ich meine Mutter geliebt. War es Rücksichtnahme gewesen oder die Angst, etwas zu hören, was ich nicht hören wollte?
Auf dem Dachboden lagerten jede Menge Kisten, Kartons und Koffer, dazu alte Tüten, deren Aufschrift längst verblasst war. Wir hatten unsere Nasen als Teenager in einige hineingesteckt und uns meist halb zu Tode geniest. Alte Kleidung und Andenken aller Art hatten wir aufgestöbert. Komplett uninteressant, hatte Luise damals bemerkt und sich dabei die Nase zugehalten.
Der Koffer stand sicher schon lange in all dem Durcheinander, aber richtig und tatsächlich sah ich ihn erst jetzt.
Ich schlich hinüber auf die andere Seite des kleinen Raums im Dachgeschoss, als könnte mich jemand davon abhalten. Staub bedeckte alles. Da stand er einfach und war seit einer kleinen Ewigkeit nicht geöffnet worden.
Ich legte ihn behutsam auf den Boden, ließ mir Zeit. Und eine kleine Weile überlegte ich, was sich darin befinden könnte; Ausrangiertes, Babysachen, etwas, das man aufhob, obwohl man es auch wegwerfen könnte … Ich hatte Angst, diesen Deckel aufzuklappen.
Zögerlich berührten meine Finger schließlich die alten Verschlüsse, aber ich musste mehrfach daran herumrütteln, bis sie aufschnappten.
Ich atmete müffelnde Vergänglichkeit ein. Im ersten Augenblick konnte ich nicht das Geringste erkennen. Ich ließ eine Hand das Innere fühlen. Stoff. Womit hatte ich denn gerechnet?
Die Schatten verwandelten den Inhalt in eine unbestimmte Masse, zum Grund vorstoßen wollte ich nicht unbedingt.
Ich schleifte den Koffer näher ans Licht, unter das Fenster.
Isabel im Angesicht des Grauens – schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Die Kleider im Koffer sprachen eine ganz eigene Sprache. Sie waren längst unmodern. Dieser Koffer war vor langer Zeit gepackt worden, und doch musste er die ganze Zeit hier oben gestanden haben.
Meine Mutter hatte uns nie verlassen, aber sie wollte es tun, und … jemand hatte sie aufgehalten.
Ich schlug den Deckel des Koffers wieder zu, genug für heute. Mehr konnte ich wirklich nicht ertragen. Ich blieb sitzen, bis es vor dem Fenster dunkel wurde, und als die Nacht hereinbrach, hockte ich immer noch dort im Staub.
Ich wusste, ich würde noch ein weiteres Mal heraufkommen und stöbern, vielleicht auch etwas finden, aber jetzt wollte ich einfach nur den bösen Gedanken loswerden. Wer hätte einen besseren Grund gehabt, Katharina daran zu hindern, uns zu verlassen, als mein Vater?
10
Es war später Nachmittag, drei Tage nach dem Tauchgang im Maar, zwei nach Erscheinen des Fotos in der Aachener Zeitung, und Vincent Klee hatte sein schönes großzügiges Loft in Trier gegen eine Ferienwohnung mitten in einem Weinberg oberhalb von Schalkenmehren getauscht.
Er war gerade dabei, seine Sachen auszupacken und sich im Spanischen Zimmer einzurichten, da hörte er etwas klacken. Krallen, dachte er. Wenn hier irgendwelches Ungeziefer lebte, dann würde er seine Koffer auf der Stelle wieder packen.
Aus einer Ecke unter dem Bett aus dunklem Holz lugte jetzt etwas Weißes, Pelziges hervor. Verdammt!
»He, hallo!«, rief er zur Tür hinaus. Er war auf Konfrontation aus, und er wurde erhört.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« Ein roter Haarschopf schaute ins Zimmer. Luise Sonnenschein.
»Ich sehe was, was du nicht siehst«, sagte Vincent, »und es ist weiß und pelzig.«
»Oh nein«, stöhnte Luise. Darauf folgte ein Schrei, der ihm fast die Ohren abfallen ließ. Ruhiger wandte sie sich wieder an ihn. »Das ist Caramello, er ist eine Ratte und gehört meinem Neffen.«
»Und genau darum nehmen Sie das Vieh jetzt mit. Und zwar flott, bevor ich auf der Stelle wieder ausziehe.« Er hatte sich ein wenig vorgebeugt, um die Ratte im Auge zu behalten. Caramello.
»Wohin wollen Sie denn ziehen?«, fragte sie ihn.
Das war keine Basis für eine Unterhaltung und Caramello alles andere als ein angenehmer Mitbewohner. »Transportieren sie die Ratte einfach ab, und ich vergesse es«, sagte er etwas freundlicher.
Sie aber wollte offenbar keine Freundlichkeit. »Wenn Sie Isabel wehtun, werde ich Sie an Ihren Ei… – Sie wissen schon – aufknüpfen.«
Vincent verzog das Gesicht. War das nicht eine Drohung aus billigen Actionfilmen? Ihm fiel Lori Senser ein, sein weiblicher Kollege. Zu ihr passten die Sprüche, aber nicht zu der Frau, die ihm
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