Die Tote im Maar - Eifel Krimi
Jeans und T-Shirts trugen, hing seine Mutter an diesen Secondhandklamotten von anno dazumal. Sie schien in den sechziger Jahren hängen geblieben zu sein und fand sie chic, Christoffer fand sie grässlich. Seinem Vater war es offenbar gleich, oder seine Wahrnehmung hatte sich verändert.
Mit Christoffers Wahrnehmung war auch etwas passiert. Er fühlte sich scheußlich, sein Kopf wollte zerspringen, und in seinem Gehörgang war dieser permanente Ton. In der Schule wurde viel über das angebliche Beben geredet, aber er hatte Alex und Silvio eingeimpft, die Klappe zu halten, wenn sie keinen Ärger bekommen wollten. Und die beiden hatten es tatsächlich geschafft, alles, was zu ihrer Identifizierung beigetragen hätte, verschwinden zu lassen, während er einfach nur versucht hatte, wieder auf die Beine zu kommen. Es war ein Rückzug gewesen, allerdings kein geordneter.
Sie hatten alles Dynamit in dieses Erdloch gepackt. Neben dem Kratersee gab es jetzt wahrscheinlich einen zweiten Krater. Christoffer hätte gern gewusst, was die Polizei untersuchte. Er wollte seinen Vater danach fragen, denn wenn es jemand wusste, dann er, und gerade überlegte er sich, wie er das am besten anstellen sollte.
Direkt, sagte er sich. Neugier war schließlich legitim. »Hat die Polizei schon einen Verdacht?«
Sein Vater runzelte die Stirn. »Hinsichtlich der Maarleiche?«, fragte er.
Eine Leiche?
Mist, Mist, Mist! Er fühlte sich wirklich nicht gut. Und jetzt wollte er alles hören.
Woher er davon wüsste, fragte seine Mutter, und sein Vater ließ ein Lachen erklingen. Sogar dieses unverkennbare Lachen, das sonst den Steinbewegungen auf einer Geröllhalde ähnelte, klang in Christoffers Ohren beinahe dezent. Was für eine Frage, dachte er. Sein Vater war der Bürgermeister von Schalkenmehren. Wenn jemand an der Quelle saß, dann er. Nein, verbesserte er sich. Sein Vater war die Quelle.
Er goss sich noch eine Tasse Tee ein, den er zutiefst verabscheute. Seine Mutter war nicht nur, was die Kleidung betraf, irgendwo gestrandet. Aber so hatte er einen Grund, sitzen zu bleiben.
»Ich habe die Leiche gesehen, als sie geborgen wurde, und sie für Isabel Friedrich gehalten.«
Christoffer schoss in die Höhe und verschüttete dabei den gerade eingegossenen Tee. Er wollte nichts mehr hören, ihm war speiübel. Von der abrupten Bewegung wurde ihm schwindlig.
Dann schrie seine Mutter, aber das bekam er nicht mehr mit, weil sich seine Beine verhakten, er vornüberfiel und unsanft mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug.
11
Zwei Tage später erhielt ich einen Anruf von der Rechtsmedizin. Katharina Friedrichs sterbliche Überreste waren freigegeben worden.
Noch in Gedanken machte ich mich auf die Suche nach Galen und fand ihn ebenfalls telefonierend.
Es klang einigermaßen haarsträubend, worüber da geredet wurde, und ich versuchte, nicht zuzuhören.
»Eine schwere Anschuldigung. Ich werde dir später suchen helfen, aber ich kann gerade nicht weg. Natürlich könntest du auch den Polizisten fragen. Es ist ja irgendwie ein Vermisstenfall.«
Er lauschte, verzog das Gesicht und erwiderte dann: »Unter einer Decke stecken nehme ich jetzt nicht wörtlich.«
Ich konnte sehen, dass Galen sich bemühte, ernst zu bleiben. Demzufolge war sein Gesprächspartner Fabian, Luises Neffe. Ich wollte mal hoffen, dass sich kein neuerlicher Todesfall ereignet hatte.
Als er das Handy ausschaltete, bogen sich seine Mundwinkel nach oben. »Sieht ganz danach aus, als hätten Luise und der Kommissar Caramello verschwinden lassen«, sagte er.
»Hurra«, erwiderte ich, aber es hatte keinen Klang. Vielleicht war ich es ja, die tot war.
Dann sah er in mein Gesicht, und alle Heiterkeit verschwand.
»Ich bin so weit von mir entfernt«, sagte ich. Es sollte keine Rechtfertigung sein, nur eine weinerliche Feststellung.
Gern hätte ich mit Galen gelacht, doch augenblicklich war es ein anderes Bild, das ich ständig vor mir hatte. Katharina, der Koffer, die Kleidung darin und wer weiß, was sonst noch …
Ich würde trauern und mir erlauben, sie zu vermissen, was ich als Kind nicht gekonnt hatte, weil ich nichts wusste, weil mir mein Vater nichts erklärt hatte. Die Angst legte mir Fesseln an, und ich fragte mich, ob es eine gute Idee gewesen war, die Verabschiedung und Bestattung meiner Mutter selbst ausrichten zu wollen.
»Wir können Katharina abholen«, sagte ich, als handle es sich um eine Freundin, die unser Kommen erwartete. »Ich möchte sie gern so
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