Die Tote im Maar - Eifel Krimi
zurechtmachen, dass sie …«, meine Stimme erstickte, dann hatte ich sie wieder im Griff, »schön aussieht. Ein letztes Mal. Das muss ich schaffen, das und die Trauerrede.«
Ich konnte mir denken, dass viele Schalkenmehrener kommen würden, wenn wir erst die Todesanzeige in die Zeitung gesetzt hätten.
Es kamen auch jetzt schon einige Freunde und Bekannte, um mir ihr Beileid auszusprechen. Thomas Berendt, der den Kiosk »Berendts Kram und Neuestes« am Schalkenmehrener Maar betrieb, hatte mich ungelenk umarmt, und Fritz Wasen, mein Zahnarzt, seit ich denken kann, hatte meine Hände genommen und mir gesagt, ich solle mich an die gemeinsame Zeit mit meiner Mutter erinnern, das würde helfen. Ich wusste, es war nur gut gemeint, aber es tat höllisch weh.
Galen zögerte. »Wir suchen einige Dinge zusammen, alles, was … was Katharina ausmachte.« Er wählte die Worte mit Bedacht, als würde es ihm schwerfallen, ihren Namen auszusprechen. Aber für den Moment war ich einfach bloß dankbar, dass er da war und mir half.
Da hätte ich von meinem Fund berichten können. Ich hatte es niemandem erzählt, nicht einmal Luise, und das würde ich auch erst tun, wenn ich sicher war, was sich alles in diesem Koffer befand.
Der Weg nach Mainz und wieder zurück kam mir länger vor diesmal, und in meinem Mund schmeckte ich die Bitterkeit der Furcht.
Katharina lag im Sarg, der für Transporte genutzt wurde. Er saß fest auf seiner Halterung, und doch warf ich immer wieder einen Blick in den Fond des Leichenwagens.
Der Körper würde anfangen, sich zu zersetzen. Ihr Gesicht könnte mit einem Mal alt aussehen und bis zur Unkenntlichkeit verändert. Das wollte ich nicht sehen, davor fürchtete ich mich, und ich hätte Galen gern gebeten, das Gaspedal durchzudrücken.
Wir wurden auf der gesamten Strecke nicht überholt, weil es angeblich Unglück brachte, einen Leichenwagen zu überholen.
Ich schaute Galen an, der mit unbewegtem Gesicht neben mir saß. Woran denkt er gerade?, fragte ich mich. Ich wünschte mir manches Mal, er würde mehr von sich preisgeben, aber das war nicht seine Art. Das betraf auch seine Gefühlswelt.
Aber was war mit meiner? »Ich muss es Rufus sagen, oder was denkst du?« Rufus Dissen, so wie ich ihn gekannt hatte, war ein liebenswerter, groß gewachsener Mann, dessen Augen einem ein Gefühl von Heimat zu vermitteln in der Lage waren. Aber vor Jahren schon hatte er seine verloren und konnte niemandem mehr dieses geborgene Gefühl geben. Seine Augen blickten meist ins Leere.
Großvater hatte eine Sargfabrik besessen. »Schreine« nannte er die Särge. So hatte Roman Friedrich Katharina Dissen kennengelernt, weil er die Schreine von Dissens Fabrik bezog.
Eine Liebe, aufgebaut auf Tod, musste ich denken.
Galen hatte mir geantwortet. »Wahrscheinlich begreift er es nicht, aber ich finde, du solltest es ihm sagen.«
»Ist es besser, es nicht zu begreifen? Schmerzloser?«, fragte ich.
»Wer kann wissen, wie ein Gehirn reagiert, was es aufnimmt und abspeichert. Vielleicht nichts, vielleicht aber doch einen kleinen Hauch«, sagte er. »Aber du kannst immer sicher sein, dass er euch geliebt hat und dich immer noch liebt. Auch wenn er es manches Mal für eine kleine Zeit vergisst.« Er warf mir einen lächelnden Blick zu.
»Du besuchst ihn.« Ich war mir nicht sicher, aber nach dem Gesagten glaubte ich plötzlich, dass er das tat.
»Hin und wieder.«
Ich würde jetzt nicht daran denken, wann ich meinen Großvater zum letzten Mal besucht hatte.
»Erzähl mir etwas über Katharina«, bat ich Galen.
Er dachte kurz nach, dann schien ihm etwas einzufallen.
»Einmal kam eine alte Frau ins Institut und erkundigte sich, wie viel Geld es einbringen würde, wenn sie ihren Körper der Wissenschaft zur Verfügung stellte. Wann sie denn mit dem Geld rechnen könne?«
Eine obskure Idee, denn ein Spender vermacht seinen Leichnam einem anatomischen Institut zu Lehr- und Forschungszwecken oder auch zur Plastination. Wie kam eine betagte Frau auf den Gedanken, Geld mit ihrem Körper verdienen zu wollen?
»Sie hatte Geldsorgen. Ihr Herz saß auf der rechten Brustseite, und jemand hatte ihr gesagt, das sei anormal, und für Anomalien würde gut bezahlt werden. Sie wolle doch so gern eine opulente Beerdigung. Katharina hat ihr den Wunsch erfüllt. Von dieser Beerdigung redet der Ort noch heute.«
»Es gab gar keine Körperspende«, riet ich.
»Dafür eine schöne Beerdigung. Das war Katharina, und wir mussten deinem
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