Die Tote im Maar - Eifel Krimi
gegenüberstand.
»Wovor haben Sie Angst?« Es war mehr als offensichtlich, sie war angespannt und presste ihre Kiefer aufeinander.
»Ich will nicht, dass Sie Isabel mit ihren Fragen belasten«, sagte sie eine Spur friedfertiger. Trotzdem, sie hatte unbestreitbar Angst, und Vincent musste an Isabel Friedrich denken, wie er und Konstantin Höllrath ihr die Nachricht vom Tod ihrer Mutter überbracht hatten. Das Seltsame war gewesen, dass Isabel auf den Analytiker zwar reagiert, aber so getan hatte, als würde sie ihn nicht kennen. Warum?, fragte sich Vincent. Ihr musste doch bewusst sein, dass Höllrath mit ihm darüber reden würde. Was ergab es also für einen Sinn, ihre Bekanntschaft mit ihm verheimlichen zu wollen?
Das hatte er später auch Höllrath gefragt, der gemeint hatte: »Sie hat sich zu erinnern versucht.«
Vincent hatte ihn um eine Erklärung gebeten, was das bedeuten sollte. Es war ja nicht so, dass sich Isabel Friedrich und Konstantin Höllrath viele Jahre zuvor begegnet waren. Es waren seitdem nur ein paar Wochen vergangen.
»Sie weiß nicht mehr, dass sie bei mir war. Entweder das, oder sie macht uns geschickt etwas vor.«
»Und das würde bedeuten, Isabel Friedrich hat etwas zu verbergen«, sagte Vincent.
»Möglich, aber so muss es nicht sein.«
»Wir müssen Caramello irgendwie hier rausbekommen«, sagte Luise Sonnenschein, die er einen Augenblick ganz vergessen hatte.
Wir. So hatte er sich das nicht gedacht. Aber bevor die Verhandlung weitergehen konnte, klingelte sein Handy auf dem Nachttisch. Vincent hechtete auf das Bett, mitten hinein in die gerade ausgepackten Kleidungsstücke, und griff danach. Er hasste Ratten.
Luise blieb unbeeindruckt stehen, es sah nicht danach aus, als hätte sie die Absicht, den Raum zu verlassen.
Vincent hörte sich an, was sein Gesprächspartner zu sagen hatte, dann antwortete er: »Der Fall ist nicht gelöst, er liegt nur neunzehn Jahre zurück. Es gibt eine erste Spur, und die gedenke ich hier und jetzt weiterzuverfolgen.« Vincent war sich der Lauscherin sehr bewusst. Er nickte mehrmals mit undurchdringlichem Gesicht. Dann legte er das Handy wieder auf den Nachttisch.
Cold Cases nannte man Fälle, die unaufgeklärt und ungelöst waren. Jeder Mordfall, auch wenn er zeitlich noch so weit zurücklag, wurde weiterbearbeitet. Es gab Ermittler, die sich den alten Fällen verschrieben hatten, und wenn es dazu noch gesicherte Spuren von damals gab, umso besser.
Hier gab es auch Spuren, war sich Vincent sicher, er würde sie nur finden müssen.
Luise Sonnenschein sah ihn an, und in ihrem Gesicht schienen sich die Gefühle zu streiten. Sie wollte etwas sagen, vielleicht war es das Falsche, und sie verkniff es sich. Mehr als ein: »Helfen Sie mir mit Caramello?«, brachte sie schließlich nicht zustande.
»Raus muss er jedenfalls.«
Vincent ließ sich zurückfallen in den umgewälzten Kleiderhaufen. Er musste nachdenken.
* * *
Seine Mutter hatte etwas zu ihm gesagt, aber Christoffer hatte noch immer Probleme mit dem Hören, eines seiner bevorzugten Handicaps. Aber diesmal gab er es nicht nur vor.
Er gab ihr ein »Ja klar«, was offenbar die total falsche Antwort war, denn als Nächstes startete sie eine Schimpftirade, die sich gewaschen hatte.
Christoffer hätte zu gern gewusst, wie das in anderen Familien war, ob man sich unterhielt und austauschte und worüber geredet wurde. Bei ihnen hörte sich das immer gekünstelt an, und die Themen waren sterbenslangweilig. Meistens beteiligte er sich nicht daran.
»Tut mir leid, ich fühle mich nicht so gut«, sagte er und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Sie strich ihm kurz übers Haar, was er gar nicht leiden konnte. Aber wenigstens bedeutete es, dass sie seine Entschuldigung, wofür auch immer, angenommen hatte.
Er musste in die Schule, denn die Explosion, die allgemein für ein kleines Beben gehalten wurde, bescherte ihnen allen leider keinen freien Tag.
Und so saßen sie wie jeden Morgen beim gemeinsamen Frühstück; seine Mutter Gundis, sein Vater Karl und er. Irgendwie kein Team, eher jeder für sich, und doch bestand seine Mutter auf dem morgendlichen Ritual; sie war der Ansicht, Kinder würden sonst nicht verstehen, dass Familie nicht nur ein Wort war, und würden keine Werte vermittelt bekommen … Er war kein Kind mehr, aber das musste ihr entgangen sein.
Gundis Lehnert war keine liebevolle Frau, aber sie bemühte sich. So viel musste Christoffer ihr zugestehen. Und während andere Mütter
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