Die Tote im Maar - Eifel Krimi
nicht sein, die CD war noch nicht zu Ende.
Ich beugte mich zu ihr hinunter, meine Hände strichen durch ihr Haar, und ich bat sie um Verzeihung. Als ich ihre Lider schloss, hörte ich die Musik wieder einsetzen.
Er stand vor mir, und ich wusste nicht, ob er Wirklichkeit war. Ich taumelte ihm entgegen – einem Geist, einem Menschen? –, das Stäbchen in der Hand, aber kein Blut an den Fingern, wurde ich aufgefangen.
Im gleichen Atemzug entschuldigte ich mich und wusste, wenn die Gestalt Vincent Klee war, musste er mich für übergeschnappt halten.
»Warum sind Sie allein? Das sollten Sie nicht sein.« Die Stimme klang sanft. Er gab mich noch nicht frei, hielt mich nur ein kleines Stückchen von sich weg und schaute mir ins Gesicht. Seine Lippen bewegten sich – und wieder hörte ich es nicht. Sprach er mit mir?
Plötzlich ging mir auf, dass er mit sich selbst sprach. Dann presste er seinen Mund besitzergreifend auf meinen.
Später würde ich mich fragen, wie viel Zeit jemand brauchte, um sich zu einem Kuss zu entschließen, und wie weit dieser Kuss gegangen war.
Aber dieser Teil meiner Erinnerung war komplett futsch.
12
Hatte Luise Sonnenschein nicht gesagt, es wäre ruhig und leise auf ihrem Familienlandgut? Das hatte er sich wahrscheinlich nur eingebildet, sagte sich Vincent Klee.
Er war derjenige, der etwas in Erfahrung bringen wollte, aber er war nicht der, der am Fenster klebte, um zu schauen, was die Leute taten. Es war ein lauter Zufall gewesen, der ihn dazu gebracht hatte. Der Junge, dem wahrscheinlich die Ratte gehörte, weinte und schimpfte, man hätte Caramello verschleppt. Kaum zu überhören. Und der Mann, der Isabel und Luise zur Rechtsmedizin begleitet hatte, versuchte zu vermitteln. Vincents Rolle hatte von ihm nur verlangt, seine Zimmertür offen stehen zu lassen, um der Ratte die Flucht zu ermöglichen, und das hatte offenbar funktioniert.
Natürlich hätte er noch in der gleichen Stunde ausziehen können, aber ihm gefiel es auf dem Landgut, und Luise hatte recht, der Wein war hervorragend.
Es klang jetzt, als würden sie nach Caramello suchen wollen. Viel Vergnügen, wünschte er ihnen. Vielleicht wäre das eine gute Gelegenheit, Isabel zu erwischen, wenn alle anderen beschäftigt waren.
Was willst du denn so dringend erfahren?
Einiges, beantwortete er sich die Frage.
Deshalb hatte er bereits im Altenheim in Koblenz angerufen und sich erkundigt, wie es Rufus Dissen ging. Haus Diamand, mit »d«, nicht mit »t«, war der Name des Heims, in dem der Großvater von Isabel Friedrich untergebracht war. Vincent wollte mit dem älteren Herrn reden. Er hatte keine Aufklärungsarbeit geleistet, nur gesagt, er würde in einem alten Mordfall ermitteln, und Rufus Dissen könnte ihm vielleicht weiterhelfen. Man hatte ihn mit dem Arzt von Haus Diamand verbunden, der ihm in ziemlich unverständlicher Art erklärt hatte, das würde im Augenblick nichts bringen. Also hatte Vincent ihn gebeten, wenn er dachte, es würde etwas bringen, solle er ihn anrufen. Er hinterließ seine Telefonnummer, und der Arzt versprach sich zu melden, sobald Rufus Dissen jemanden erkenne und man sich mit ihm unterhalten könne.
Alzheimer, musste Vincent denken. Konstantin Höllrath hätte den Kollegen verstanden, deshalb würde er ihn bitten, mit nach Koblenz ins Heim zu kommen. Das wäre seine medizinische Absicherung, und Höllrath würde wissen, wie man Fragen stellen musste, um eine Antwort zu erhalten. So hoffte er zumindest.
Von draußen hörte er die Stimmen der Suchenden und sah ihre Lichter im Weinberg flackern. Es wäre ein echtes Wunder, wenn sie die Ratte finden würden. Aber so was gab es ja hin und wieder.
Vincent steckte sein Handy ein, das Notebook hatte er gesichert, so gut er es verstand; er musste zugeben, das war überhaupt nicht seine Welt. Aber wer sollte sich an seinem Notebook vergreifen wollen? Vielleicht derjenige, der den Mord an Katharina Friedrich begangen hatte und sich jetzt fürchten musste, entdeckt zu werden?
Er hatte diesen Fall zu seinem gemacht, und das nicht, weil er die Tochter von Katharina Friedrich faszinierend fand. Das tat er, aber es beeinflusste nicht seine Entscheidung. Seine Freizeit konnte er verbringen, wie er wollte, um alte Tötungsdelikte riss man sich nirgendwo. Sollten es die Kollegen spleenig finden. Er hatte nicht angekündigt, wo er seinen Urlaub verbringen wollte, also konnte niemand sagen: »Aber du wolltest doch …«
Ein Urlaub am Meer brauchte es für
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