Die Tote im Maar - Eifel Krimi
ihn nicht zu sein, er hatte das Surfen aufgegeben. Er hatte ein Stück von sich selbst aufgegeben. Ob man in einem Vulkankrater surfen konnte?
Er würde es nicht ausprobieren, etwas anderes aber schrie geradezu danach, und mochte es auch nicht clever sein, er hatte alles im Wagen, was er brauchte.
Sein beinahe allmächtiger Vater interessierte sich selten dafür, was er außerhalb der Direktion und jenseits der Polizeiarbeit tat, schon gar nicht, wo er seinen Urlaub verbrachte. Würde er aber von seinem Alleingang hier erfahren, würde das Ärger bedeuten. Katharina Friedrich war vor neunzehn Jahren getötet worden, der Fall war kalt. Aber etwas störte ihn ganz massiv.
Es hatte kein Beben gegeben, sondern jemand hatte Dynamitstangen gezündet, und derjenige war sicher kein Profi gewesen. Eine einzelne Person konnte es auch nicht gewesen sein, dagegen sprach der Schaum auf dem Wasser. Die Chemiker hatten Backpulver, Essig und Spülmittel nachweisen können. Ein netter Trick, nur hatte man nicht die Absicht gehabt, nett zu sein.
Die Sprengung und dieses Aufschäumen mussten gleichzeitig erfolgt sein. – Ein schäumender See. Das hätte sich jeder einfallen lassen können, aber nicht die Sache mit dem Sprengstoff. Da war es besser, die Presse berichtete über ein leichtes Beben. Vincent erwartete, dass ihn das Labor und die Kollegen mit Informationen versorgten, Urlaub hin oder her. Doch bislang tröpfelte es nur. So käme er nicht weiter. Vielleicht konnte ihm Isabel mehr sagen.
Als er das Haus verließ, sah er, dass auch einige der anderen Feriengäste lange Hälse bekamen.
Er hatte noch niemanden kennengelernt, es war ja auch sein erster Tag. »Hallo«, sagte jemand hinter ihm, und Vincent drehte sich um.
Ein blondes Mädchen mit Zöpfen und weiten Hosen. Sie ging an Krücken. »Suchen Sie auch mit?« Ihr Akzent verriet ihm, dass sie aus Skandinavien kam.
»Nein«, sagte er. Sie dagegen sah aus, als würde sie gern und konnte nicht. Und jetzt plagte ihn auch noch sein Gewissen. Er hatte schon eine Entschuldigung auf den Lippen, aber das war nun wirklich zu blöd. »Schweden?«, fragte er stattdessen.
»Dänemark, ich komme aus Aalborg«, sagte sie lächelnd. »Ich bin Aenna.«
»Ich bin Vincent«, sagte er. »Habt ihr zurzeit Ferien?« Es gab keine einheitlichen Schulferien in Dänemark, erinnerte er sich.
Sie nickte. »Gute Nacht, Vincent. Bis Morgen, vielleicht ist Caramello dann gefunden.«
»Ja.« Vincent winkte kurz. Das Mädchen war vielleicht vierzehn oder fünfzehn, aber sie klang anders, sie klang, als hätte sie ihr halbes Leben bereits gelebt. Sie war vielleicht krank, überlegte er.
Vincent wäre am liebsten zu Fuß gegangen, aber er kannte sich zu wenig aus, und es war dunkel, also nahm er den Wagen.
Wie würde es aussehen, wenn er mitsuchte? Ziemlich schuldig. Luise Sonnenschein suchte auch nicht mit.
Er wusste, die Leiche war heute freigegeben worden. Vincent hielt ein Stück entfernt am Weg, am Rand einer großen Wiese. Es hatte nichts damit zu tun, dass er nicht gesehen werden wollte, sagte er sich.
Im Haus brannte kein Licht, aber nebenan im Bestattungsinstitut, was ihm verriet, dass Isabel sich wahrscheinlich um ihre Mutter kümmerte. Sich kümmern war nicht der richtige Gedanke, aber Polizisten gingen anders mit Toten um, als Bestatter das taten. Sie mussten sie nur finden und anschauen. Isabel musste viel mehr tun, sie verbrachte Zeit mit den Körpern.
Doch auf das Folgende war er nicht vorbereitet.
Er hatte geklopft, was das Zeug hielt, aber es hatte ihn niemand gehört. Musik lief. Jemand musste da sein. Die Tür war unverschlossen, was ihm, nachdem er den Knauf gedreht hatte, etwas leichtsinnig vorkam, doch was sollte man hier schon stehlen?
Die Musik nahm er als Orientierung. Der geflieste Raum lag am Ende eines Ganges, die Schiebetür stand halb offen. Gerade wollte er sich bemerkbar machen, hatte seine Hand schon auf dem Griff, als er jemanden flüstern hörte. Vincent war nicht empfindlich, schon gar nicht ängstlich, aber gerade stellten sich seine Nackenhaare auf. Er schob die Tür ganz auf.
»Sie hatten nicht abgeschlossen«, sagte er sinnigerweise, doch was auch immer er von sich gegeben hätte, Isabel Friedrich registrierte es überhaupt nicht. Ihr Blick war verschleiert, als sähe sie ihn nicht. Dann floh sie in seine Arme.
Flucht. So empfand er es, er konnte ihre Furcht spüren, das leichte Zittern. Vincent strich ihr beruhigend übers Haar.
Es war kitschig,
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