Die Tote im Maar - Eifel Krimi
zurück. »Kann’s losgehen?«, fragte er, dann sah er mich die Straße entlanglaufen. »Hallo, Isabel«, grüßte er.
Was war da denn passiert? Etwas richtig Gutes, wie mir schien. Vielleicht liegt es nur an Christoffers schlechtem Gewissen, mutmaßte ich, aber dann registrierte ich seinen zufriedenen Gesichtsausdruck. Er war mit sich im Reinen.
»Sieht nach einer größeren Aktion aus«, sagte ich.
»Ja«, bestätigte Christoffer. »Es ist richtig viel Arbeit, aber ich würde sagen, sie lohnt sich.« Er zwinkerte mir zu.
Ich hatte Christoffer Lehnert vorher nicht gekannt. Ich war ihm vielleicht einige Male irgendwo begegnet, wie man sich in einem kleinen Ort eben begegnet. Gut möglich, dass ich ihn nicht gemocht hätte, aber jetzt war er mögenswert, sogar sehr, und ich freute mich mit ihm. Ich hob eine Hand, die linke, winkte und wünschte gutes Gelingen.
Die Sonne schien nicht gerade, aber sie bemühte sich, durch die Wolken zu dringen, und Sophias Hund bemühte sich, Christoffers Bein zu erklimmen. Er setzte den Sack ab und zog aus seiner Hemdtasche etwas, das wie ein Knochen aussah, beugte sich hinunter und gab ihn dem kleinen Hund.
Es war derselbe Junge, der vor wenigen Tagen gedankenlos eine Sprengladung gezündet hatte. Aber vielleicht nicht mehr der gleiche.
Dr. Wagners Praxis war im Erdgeschoss in einem schönen Fachwerkhaus untergebracht. Darüber hatte er seine Wohnung; soweit ich wusste, bewohnte er das Haus allein, aber ich musste ja nicht recht haben, schließlich kannte ich den Mann nur von ein paar vereinzelten Besuchen, die sich Konsultationen nannten. Mir fehlte selten etwas, ich war nicht oft krank.
Krank war mit Bestimmtheit unser Pfarrer, der Bruder des Doktors.
Kaum dachte ich an Pfarrer Wagner, tauchte er wie ein Dschinn aus der Flasche plötzlich am Fenster auf. Ohne Beklebung. Ich versuchte ein freundliches Lächeln und dachte nur, du lieber Himmel!
Ich drückte das kleine Tor auf und ging den Gartenweg entlang. Das Grundstück war gepflegt und sauber, und das Haus strahlte eine angenehme Atmosphäre aus, die dazu gemacht war, sich trotz Krankheit wohler zu fühlen.
Ich klingelte, und eine ältliche Sprechstundenhilfe mit rosa gefärbten Haaren und ebensolchen Fingernägeln ließ mich ein.
»Haben Sie einen Termin?«, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf und hob meine verbundene Hand. Sie wies auf das Wartezimmer, in dem ich doch bitte kurz Platz nehmen sollte. Ich glaubte, mich an sie zu erinnern, aber zu der Zeit hatte sie pechschwarzes Haar gehabt.
Schriftliche Informationen über alle möglichen Krankheiten waren in einem Ständer gesammelt und arrangiert worden, sie starrten mich an. Davon wollte ich wirklich nichts haben, und setzen wollte ich mich auch nicht, weder kurz noch länger. Außer mir war sonst niemand hier.
Ich hörte Stimmen, dann steckte Dr. Wagner seinen Kopf zur Tür herein. »Isabel«, grüßte er. »Kommen Sie.«
Sein Sprechzimmer war hell und geräumig. Ein paar Bücher lagen herum, in denen er geblättert hatte, aber man hatte nicht den Eindruck, als wollte er damit Eindruck schinden. Dr. Wagner hatte nur bedingt Ähnlichkeit mit seinem Bruder und im Augenblick eher gar keine.
»Wo fehlt es?«, fragte er mich. Ich reichte ihm die Hand, die rechte, und er packte sie vorsichtig aus. Nachdem er die Wunde gereinigt hatte, leuchtete der Schnitt grellrot und begann wieder zu pochen. »Womit haben Sie sich geschnitten?« Er sah mich an.
»Altes Spiegelglas«, gab ich zur Antwort.
»Ich gebe Ihnen eine Spritze gegen die Entzündung und eine Tetanusspritze, weil damals Substanzen in der Herstellung und zur Legierung verwendet wurden, die heute verboten sind. Dann verschreibe ich Ihnen noch ein Schmerzmittel, falls Sie es brauchen.«
Ich nickte. Gleich darauf entblößte ich mein Hinterteil und empfing die Spritze gegen die Entzündung. Die Tetanusspritze verabreichte mir der Doktor in den Oberarm. Wie so viele Menschen mochte auch ich keine Nadeln.
»Setzen Sie sich, Sie sind ja ganz blass«, ordnete Dr. Wagner an. »Mindestens so blass wie in der Nacht, als Ihr Vater Sie zu mir brachte. Daran erinnern Sie sich wahrscheinlich nicht, Sie waren noch klein. Sie hatten Fieber und waren nicht ansprechbar.«
»Ich war ein Kind?«, fragte ich, was ihm verriet, dass ich es tatsächlich nicht mehr wusste.
»Acht oder neun Jahre alt«, sagte er.
Mir fiel etwas ein. »Haben Sie vielleicht die Unterlagen von damals noch?«
Dr. Wagner musterte
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