Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
inzwischen dampfende Wasser. »Lass mich raten, dein Liebster wollte nicht, dass du alleine gehst?«
»Er ist nicht mein Liebster«, murmelte Sophie unangenehm berührt.
Die Hexe lachte gackernd. »Armer Tor, liebt ein Mädchen, das ihn nicht lieb hat. Warum müssen junge Galane immer so selbstlos sein, wenn ihnen am Ende doch das Herz gebrochen wird?«
»Ich hab ihn doch lieb!«, widersprach Sophie heftig. »Es ist nur … er ist nur … nicht mein Liebster.«
Die Alte hob die Augenbrauen, aber sie antwortete nichts mehr, sondern nahm einen Kochlöffel von der Wand und begann, mit langsamen, gleichmäßigen Bewegungen den Kräutersud zu rühren. »Warum bist du hier?«, fragte sie nach einer Weile des Schweigens, die Sophie wie eine Ewigkeit vorgekommen war. »Bist du in Schwierigkeiten?«
»Schwierigkeiten … ? Nein!« Sophie schüttelte empört den Kopf, als sie verstand, was die Hexe meinte. »Ich würde nie … na, Sie wissen schon … « Nun wurde sie richtig rot.
Die Alte winkte ab. »Das sagen viele, und dennoch kommen sie zu mir und bitten und betteln, dass ich ihnen helfe, es wegzumachen, ehe es der Ehemann oder der strenge Vater bemerkt. Und weißt du, was sie dann tun?« Die Hexe drehte den Kopf ein wenig, funkelte Sophie aus ihren schmalen Augen heraus an. »Dann gehen sie in der Stadt umher und nennen mich Hexe. Kinderfressende Hexe. Aber so war es schon immer, und so wird es wohl immer sein. Und nun sag, was willst du, wenn es nicht ein Fehltritt ist, der dich hierher führt?«
Sophie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, während sie nach Worten suchte, wie sie es am besten beginnen sollte. Die Hexe war längst nicht so Furcht einflößend, wie sie anfangs gedacht hatte, aber sie konnte nicht einschätzen, wie die Alte auf ihre Fragen reagieren würde.
»Es geht um Katharina Wittgen«, begann sie schließlich. »Kennen Sie sie?«
»Möglich.« Die Hexe rührte weiter in dem Topf, in dem es langsam zu blubbern begann.
»Ihre Stieftochter ist tot.«
»Ich weiß.«
»Ermordet.«
Die Alte ließ den Löffel stehen und wandte sich Sophie zu. »Du willst wissen, ob ich etwas damit zu tun habe.«
»Auch«, nickte Sophie, verbesserte sich aber gleich darauf: »Nein, nur indirekt. Haben Sie Katharina Gift verkauft?«
Ein spöttisches Grinsen zuckte in den zerfurchten Mundwinkeln. »Kind, ein jedes Mittelchen ist Gift, wenn man zu viel davon nimmt.«
»Dann haben Sie ihr es verkauft.«
»Ja, aber ich glaube nicht, dass sie damit die süße Helene umgebracht hat.« Sie nahm den Kessel vom Feuer und schöpfte ein wenig Sud in einen Becher. »Geh nun zur Seite, ich muss mich um deinen Liebsten kümmern.«
Sophie fragte nicht, woher die Alte Helene kannte, beeilte sich aber, ihr Platz zu machen. »Was haben Sie ihr verkauft?«, hakte sie nach. »Hätte es Helene töten können ?«
»Wenn das junge Ding keine Zunge zum Schmecken im Mund gehabt hätte: ja. Mittel, mit denen man Kinder wegmacht, schmecken immer bitter. Das muss so sein, ein süßer Trank wäre an dieser Stelle ebenso verfehlt wie der Rindsbraten an Karfreitag.«
»Also hat Katharina ein Mittel gekauft, um ein Kind wegzumachen?«
»Wie die meisten, die zu mir kommen«, grunzte die Hexe zustimmend. Sie tauchte zwei Finger in den heißen Kräutersud und strich damit anschließend über Wilhelms Stirn und Wangen. »Du musst auf ihn acht geben«, sagte sie. »Wenn er nicht endlich ruht, wird das Fieber ihn zum Ruhen zwingen.«
»Ist es so schlimm?«, fragte Sophie verschreckt. »Er wird doch wieder gesund?«
»Gott allein ist unser Herr, und es liegt in seiner Hand, ob wir sterben oder genesen. Bei deinem Liebsten glaube ich, dass Gott noch wartet, bis er ihn holt. Vorausgesetzt, er hält Ruhe.«
»Ich werde dafür sorgen.« Sophie lächelte erleichtert. »Danke.«
Die Alte schüttelte den Kopf. »Dank nicht mir. Ihr hattet Glück, dass ich euch gefunden habe.«
Sophie nickte. Vermutlich verdankten sie der schrulligen Alten ihr Leben. »Was war das eigentlich? Dieses … Wesen?«
»Der Wolf ?« Die Hexe lachte meckernd. »So genau weiß das niemand. Wölfe sehen jedenfalls anders aus. Ich vermute, dass es ein Hund ist. Ein ziemlich großer, verwilderter. Gott allein weiß, wo der herkommt, aber er muss fressen und er hat keine Furcht vor Menschen.«
»Aber vor Feuer.«
»Zum Glück. Sonst dürfte ich mich kaum noch aus dem Haus trauen.« Wieder das meckernde Lachen. »Ich hoffe, dass den endlich jemand erschießt. Man ist
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