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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Hilflos hatte sich Wilhelm zusammengerollt, den Kopf zwischen den Armen geborgen. Himmel hilf, betete er stumm und schmeckte Blut auf der Zunge, wahrscheinlich sein eigenes, er musste sich auf die Lippen gebissen haben. Er würde hier sterben, durchzuckte ihn die Erkenntnis, und er war überrascht, wie ruhig er diese Einsicht aufnahm. Er hatte immer geglaubt, man würde vergehen vor Furcht, wenn man dem Tod ins Auge blickte, aber seltsamerweise war das Gegenteil der Fall, vielleicht, weil er wusste, dass er nichts dagegen tun konnte. Sein Leben lag in Gottes Hand. Für einen winzigen Moment flogen seine Gedanken zu Sophie, und er fragte sich, wie es mit ihnen weitergegangen wäre, wenn sie mehr Zeit gehabt hätten, und er verspürte tiefes Bedauern, es nicht mehr herausfinden zu können.
    Von irgendwoher drang ein Schrei, und Wilhelm stellte verwundert fest, dass es nicht seine Stimme war, die geschrien hatte. Regungslos blieb er liegen, zusammengekauert, während er auf den nächsten Schlag wartete. Doch der blieb aus, stattdessen hörte er aufgebrachte Rufe. Irgendjemand brüllte etwas, Schritte polterten über die Brücke, dann wurde er gepackt und auf die Seite gedreht. Er wollte die Hand abschütteln, aber er war zu schwach, um sich zu wehren. Der Himmel drehte sich über ihm, als er die Augen öffnete und blinzelte.
    »Wilhelm!« Eine flache Hand traf seine Wange, nicht mehr schmerzhaft, sondern besorgt. »Wilhelm, wach auf!«
    »Ich bin wach«, murmelte Wilhelm und schluckte das Blut, das ihm von der aufgebissenen Lippe in den Mund rann. »Bin wach … « Der Himmel drehte sich über ihm und mit ihm Jakobs Gesicht, das seltsam verschoben vor seinen Augen aufgetaucht war. Träumte er?
    Der Bruder stieß einen unterdrückten Fluch aus und verschwand aus Wilhelms Sichtfeld. Jemand sagte etwas, dann spürte er zwei Arme, die ihn unterhakten und hochzogen. Er war zu schwer, er musste Jakob irgendwie helfen, flüsterte es irgendwo in seinem Kopf, aber seine Beine gaben unter ihm nach, als bestünden sie aus Hafergrütze. Er wandte den Kopf, wollte etwas sagen. Dann legte sich Dunkelheit über ihn.

VIII
    Er nahm Stimmen wahr . Sie sprachen leise, und er meinte Sorge aus ihnen herauszuhören, die er nicht verstand. Warum sorgten sie sich, es war doch alles in bester Ordnung. Er spürte nichts, nur dunkle Leere, die ihn wie mit dämpfender Federdecke umschlang. Wärme erfasste ihn, trieb ihm feinen Schweiß auf die Stirn und dörrten seinen Mund aus zu einem trostlosen Krater, als hätte er seit Jahren nichts mehr getrunken.
    »Wilhelm?«
    Die Stimmen hatten innegehalten, er spürte am Absacken der Matratze, dass sich jemand neben ihn auf das Bett gesetzt hatte.
    »Wilhelm, hörst du mich?«
    »Natürlich«, wollte Wilhelm antworten, doch er brachte nur ein krächzendes Flüstern zustande. Verdammt, warum bekam er nichts zu trinken?
    »Wach auf.« Eine Handfläche schlug leicht gegen seine Wangen, holte mit dem leisen Schmerz das Gefühl aus den Tiefen der Dunkelheit zurück.
    »Hör auf«, murmelte er und hob unwillig die Hand. Etwas stimmte an der Bewegung nicht, aber er war noch zu benommen, um herauszufinden, was es war. »Ich bin wach.«
    »Gut.«
    Er meinte, Erleichterung aus Jakobs Stimme zu hören. Mühsam öffnete er die Lider und blinzelte in das karge Licht, das durch die geöffneten Fensterläden in den Raum fiel, den er sich mit seinem Bruder teilte. Die Gesichter über ihm verschwammen, gewannen erst an Schärfe, als er erneut die Lider zusammenpresste und wieder aufriss.
    »Was hast du da unten nur gemacht?« Paul lachte, ein leises, fast hysterisches Lachen. »Mein Gott, wir dachten schon, er hätte dich totgeschlagen!«
    Das hätte er wahrscheinlich auch, dachte Wilhelm. »Wie … «, setzte er an, fuhr sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen. »Wie habt ihr mich gefunden?«
    »Ich habe nach dir gesucht, nachdem du so eilig von Savigny weg bist«, antwortete Jakob. Er hatte die Brauen zu jenem strengen Ausdruck zusammengezogen, den Wilhelm nur zu gut an ihm kannte, wenn etwas sein Missfallen erregt hatte. »Ich dachte, du wärest nach Hause gegangen.«
    Wilhelm zog ertappt den Kopf ein. Etwas hilflos blickte er zu Paul, fuhr sich erneut mit der Zunge über die Lippen. »Ich … wollte zu Julius … Doktor Laumann.«
    »Die kleine Dierlinger hat ihn darum gebeten«, erklärte Paul. »Es war ihr so wichtig, dass sie dafür sogar aus ihrem Zimmerfenster geklettert ist.«
    Jakob erhob sich mit

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