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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Zähnen und packte Julius am Arm, um ihn mit sich zu ziehen. »Ich habe die Überreste gesichert«, sagte er im Gehen leise. »Sie liegen im Keller bei Doktor Hirschner. Am besten sehen Sie sich das möglichst bald an, ehe es die Ratten fressen.«
    »Sie haben einen Leichnam im Keller abgelegt?«, fragte Julius entgeistert.
    »Da haben Sie Ruhe, ihn zu untersuchen.« Schmitt brummte. »Es war wieder der Wolf, zumindest behauptete das der Schäfer, der mir die Überreste brachte. Ich dachte mir, Sie können das beurteilen.«
    »Warum hat der Schäfer … « Julius stutzte, als er verstand. »Es ist kein Mensch, sondern ein Schaf.«
    »Sag ich doch.« Schmitt nickte und zog Julius weiter mit sich. »Das arme Tier wurde heute Nacht gerissen. Aus dem Verschlag geholt und gerissen. Die anderen Schafe sind panisch davongelaufen, der Schäfer ist wohl immer noch dabei, sie wieder zusammenzutreiben.«
    »Wo war das?«
    »Im Süden, am Rande der Gärten.«
    »Das ist nah an der Stadt«, stellte Julius beunruhigt fest.
    »Das dachte ich mir auch, deshalb habe ich den Mann gebeten, nichts weiterzuerzählen. Aber ich fürchte, das wird nichts nutzen.« Schmitt fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, sein Blick schweifte kurz ab. »Heute Morgen waren zwei Reisende aus Fulda hier, die gestern Abend von Moischt aus über den Berg gekommen sind. Und raten Sie einmal, was sie gesehen haben.«
    »Den Wolf, nehme ich an.«
    »Sie schwören Stein und Bein, dass es einer war.« Schmitt nickte. »Er sei riesig gewesen, mit einem Kopf von der Größe eines Stierschädels. Sie erzählten, dass er sie eine Weile verfolgt habe, aber sie konnten ihn schließlich mit Steinen und Knüppeln vertreiben. Viel habe nicht gefehlt.«
    »Und ich vermute, dass sie die Geschichte gleich heute Abend brühwarm im Wirtshaus weitergeben werden«, sagte Julius düster. »Es war gut, das Schaf vorerst unter Verschluss zu halten. Danke.«
    »Ihr Vater wünscht übrigens einen Bericht«, brummelte der Wachtmeister. »Er hat damit irgendetwas vor.«
    »Mein Vater?« Julius spürte, wie ihm die Kinnlade hinabfiel. »Was hat mein Vater mit der Sache zu tun?«
    »Ich glaube, er hofft, dass Ihr Bericht die bisherigen Untersuchungen dieser Wolfsüberfälle bestätigt.« Schmitt strich sich durch den Schnauzer. »Machen Sie einfach, was er will, dann ist’s vielleicht einfacher für Sie?«
    »Aber warum lässt er den Kadaver zu mir … « Julius stockte, als er verstand. »Die Anatomen haben sich geweigert, ein gerissenes Schaf zu untersuchen, und nun soll ich herhalten.«
    »Seien Sie froh, dass er Ihnen das überhaupt gestattet. Das ist doch ein Entgegenkommen, oder etwa nicht?« Schmitt tippte gegen seine Mütze. »Viel Erfolg, ich muss weiter. Sie wissen ja, wo Sie mich finden können.«
    »Ja, sicher«, murmelte Julius, während er ihm verwirrt nachschaute. Einen Moment lang war er versucht, seinen Vater aufzusuchen und ihn zu fragen, was das Ganze zu bedeuten hatte, aber die Vernunft rang die Empörung schließlich nieder. Vielleicht half der Kadaver, das Geheimnis um dieses Wesen im Wald zu lüften.
    *
    Es hatte Wilhelm einige Mühe und Überredungskunst gekostet, Jakob davon zu überzeugen, dass er ihn an diesem Abend ins Wirtshaus gehen ließ. Irgendwann hatte Jakob resignierend die Hände über den Kopf gehoben und nicht länger widersprochen, doch jetzt wünschte Wilhelm, er hätte es getan. Die wenigen Schritte von ihrer Unterkunft zum Wirtshaus strengten ihn mehr an, als er sich ausgemalt hatte. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, und sein Atem ging pfeifend, als sie endlich den Schankraum erreicht hatten und Jakob die Mäntel beiseite hängte. Der Blick, mit dem er Wilhelm maß, sprach das unausgesprochene ›Hättest du einmal auf mich gehört‹ aus.
    Paul saß wohl schon eine ganze Weile mit einer Gruppe Kommilitonen im hinteren Bereich des Raums, den leeren Bierkrügen nach zu urteilen. Lachen und wüste Scherze flogen den Grimms entgegen, als sie sich einen Weg zwischen verschwitzten Fuhrknechten und Handwerksgesellen hindurch bahnten.
    »Wilhelm!« Paul sprang auf und ließ seinen Becher auf die Tischplatte fallen. »Ja, Himmelarschundzwirn, was machst du denn hier?«
    »Ein Bier trinken?« Wilhelm grinste schief und verzog im nächsten Moment das Gesicht, als er sich vorsichtig setzte. Die Lippen leicht geöffnet, zwang er sich, ruhig zu atmen und nicht darauf zu achten, dass sich der Schankraum einen Moment lang vor seinen Augen drehte.

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