Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands

Titel: Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Cleverly
Vom Netzwerk:
Füße!«
    Woher zum Teufel wusste er das? Joe überquerte die Straße, um dem Gestank verrottenden Pferdefleisches zu entgehen, das auf einem Karren als Katzenfutter angeboten wurde, und stellte fest, dass er unter unzähligen, dunklen Augenpaaren Spießruten laufen musste. Aufdringliche Hände drängten sich ihm aus finsteren Hauseingängen entgegen, als er vorbeiging. »Seidenkleider, Sir? Die besten der Stadt!« Arbeitsproben flatterten an Stangen über Ladeneingängen, brachten mit ihren bunten, exotischen Farben etwas Abwechslung in die rußgeschwärzten Fassaden.
    Was für ein Akzent war das wohl? Und wie sollte man jemals die Bewegungen der Rassen innerhalb dieser kleinen Welt verfolgen? In der einen Woche waren alle Läden französisch mit Primeurs, Pâtés und Feingebäck. In der nächsten Woche konnten sie schon italienisch, jüdisch oder russisch sein … Sein Polizistenblick erfasste ein mit Kreide bemaltes Schild an einer Tür, und automatisch merkte er sich die Hausnummer. Ein Kreuz bedeutete, dass man Opium bekommen konnte, zwei Kreuze verhießen darüber hinaus noch Kokain. Aha - der Orient bewegte sich also nach Norden.
    Joe suchte jedoch die russische Enklave. Bordeaux Court, eine Nebenstraße der Dean Street, hatte Bill gesagt.
    Ein Schaufenster verkündete »Wodka des Zaren« und ließ ihn vermuten, dass er sich seinem Ziel näherte. Er lauschte einer Gruppe Kinder, die durch die Straßen liefen und kickten - leere Dosen, Orangenschalen und etwas, das eine tote Katze sein mochte. Das Geschnatter und Geschrei erklang in einer Mischung aus Cockney und Russisch. Er wusste, dass in diesen Hinterstraßen der Bolschewismus geboren worden war. Im Jahre 1903. Vor über zwanzig Jahren. Lenin, Trotzki und Karl Marx hatten hier gelebt. Aber er suchte einen unbekannten Russen.
    Bills Lehrer musste hier in der Nähe wohnen, aber wenn er jemanden fragte, wo er einen russischen Kellner finden konnte, der auch Sprachunterricht erteilte, hätte er ein Dutzend unterschiedliche Namen genannt bekommen, alle falsch - oder bestenfalls eine ausweichende Antwort. Bullen waren in diesen Straßen nicht willkommen, und wenn einer der Marktschreier ihn als das erkannte, was er war, würde er nirgendwohin kommen oder schlimmer noch, im Kreis herumgeschickt werden.
    Er sah auf seine Uhr. Beinahe 19 Uhr 30. Ein fruchtloses Unterfangen. Aus dem vage ritterlichen Drang, den Sergeant zu schützen und zu warnen, der wahrscheinlich besser als er wusste, wie er auf sich aufpassen konnte, hatte er eine gute Stunde verschwendet. Er gab zu, dass er in Wirklichkeit nur die Neuigkeiten über die Todesfälle im Bienenstock mit jemandem teilen wollte: eine potenziell explosive Information, die es verdiente, von zwei Profis bewertet zu werden, und nicht der von Cocktails angeheizten Phantasie eines Journalisten überlassen werden durfte.
    Joe blieb am Eingang zum Bordeaux Court stehen und sah die Gasse hinunter. Sie war schmutzig, ungepflegt und wimmelte vor Aktivität. Eine Mutter lehnte sich aus einem Fenster im ersten Stock und rief ihre Kinder herein … auf Russisch. Hier war er richtig, aber welches Zimmer über welchem Laden? Joe studierte die örtlichen Gegebenheiten. Es war eine Sackgasse. Wenn Bill wie gewöhnlich zu seinem Abendunterricht erschien, würde er es zu einem festen Zeitpunkt tun, und der wäre nach seinem üblichen Arbeitstag, wobei er zuvor noch einen Puffer für seinen Tee und eine Katzenwäsche eingebaut haben würde. Er sollte also innerhalb der nächsten halben Stunde eintreffen, rechnete Joe sich aus. Außer natürlich, Bill wäre tatsächlich zu einem Besuch zu seiner Tante gefahren. Er würde sich von der Dean Street nähern, vorbei an Laternenpfosten, wo zwei kleine Mädchen auf Seilen schwangen und vor Verzückung quietschten.
    Der plötzliche Duft nach Minestrone und der Gedanke an Bill, der sich an Tee labte, rief Joe in Erinnerung, dass er seit seinem Frühstück im Lyon’s Corner House noch nichts gegessen hatte. Das köstliche italienische Aroma entwich einem winzigen Laden, dessen Schaufenster auf das obere Ende des Bordeaux Court zeigte. Joe trat ein. Der Raum war so klein, dass er kurz befürchtete, er sei in eine Privatwohnung eingedrungen, aber die Präsenz eines lächelnden Kellners in einer weißen Schürze stimmte ihn zuversichtlich. Joe bat um einen Tisch am Fenster, erfreut, dass er gleichzeitig einen Beobachtungsposten und eine Gelegenheit hatte, einen Teller Suppe und ein Glas Rotwein zu

Weitere Kostenlose Bücher