Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
freute ihn, dass er die Reaktion hervorrief, auf die er es abgesehen hatte.
»Es sind keine dummen Mädchen! Es sind kluge, fähige, sehr gut ausgebildete junge Frauen!« Armitage zögerte, wog das Wissen, dass er seinen Einsatzbefehl überstieg, gegen das Verständnis eines vorgesetzten Officers ab, der ihn über seine Grenzen hinaus reizte. Er gelangte zu einer Entscheidung. »Junge Frauen, die sich dessen zwar nicht bewusst waren«, fuhr er fort, »die aber in ihren charmanten, kleinen Köpfen die Macht hatten, den nächsten Krieg für uns zu verlieren.«
»Einen Krieg zu verlieren , Bill? Sie wurden doch ausgebildet, um Kriege zu gewinnen.«
»Ich will Ihnen mal etwas sagen.« Armitage lehnte sich zurück, und Joe hatte das deutliche Gefühl, er würde gleich nach Brandy und Soda verlangen. »Wissen Sie, wen ich meine, wenn ich von Admiral Sir John Fisher spreche?«
»Natürlich. Der Vater der modernen Marine … Erneuerer … brillanter Mann. U-Boote, Zerstörer, Torpedos, Waffen - er zeichnete verantwortlich für die Bereitschaft der Flotte, als der Krieg ausbrach. Von Jack Fisher stammt der Satz: ›Auf der britischen Flotte ruht das Empire.‹«
»Und er lag damit richtig. Es war sein Protegé, Admiral Jellicoe, der die Flotte in die Schlacht führte. Die Deutschen wurden im Krieg bei mehreren Gelegenheiten auf dem falschen Fuß erwischt, weil Jellicoe immer genau zu wissen schien, wo und wann sie sich auf einen Angriff vorbereiteten. Der Grund, warum er ihnen eine blutige Nase versetzen konnte, waren die SIGINT-Warnungen aus Room 40: Signal-Geheimdienst, drahtlose Telegraphie, Funk. Wie immer man es nennen will. Die Bewegungen der deutschen Schiffe wurden überwacht, die Informationen gebündelt und interpretiert und Jellicoe auf einem Tablett gereicht. Er und Admiral Beatty waren schon unterwegs, da lag die deutsche Flotte noch im Hafen. Bei der Schlacht von Jütland hatte er den Sieg quasi schon in der Tasche. In der Nacht lag die deutsche Flotte umzingelt auf offenem Gewässer vor dem Eingang zum Skagerrak. Jellicoe war bereit, sie in der Morgendämmerung auf den Grund des Meeres zu schicken, aber … er scheiterte. Er bekam SIGINT-Informationen und ignorierte sie. Ließ die deutsche Flotte entkommen. Niemand weiß genau, warum.«
Joe fragte sich, warum Armitage diese Information so freizügig mitteilte und wer seine Quelle war. Er zeigte eine ungewöhnliche politische Sichtweise, die nicht ganz im Einklang stand mit dem, was sonst Armitages Philosophie zu sein schien.
»Jellicoe beschloss, stattdessen die inakkuraten Informationen seiner Erkundungskreuzer heranzuziehen«, offenbarte Armitage und beobachtete Joes Reaktion. »Wandte sich mitten in der Schlacht wieder den altbewährten Methoden zu. Wenn er laut den Informationen des Funkgeheimdienstes agiert hätte, die sehr exakt waren, was die Position der deutschen Hochseeflotte anging, dann hätte Jütland der Triumph werden können, von dem Churchill uns vorschwärmte - und nicht das unangenehme und blutige Unentschieden, zu dem es dann tatsächlich wurde.«
»Warum handelte Jellicoe nicht gemäß den Geheimdienstinformationen? Haben Sie - oder Ihre Herren und Meister - diesbezüglich eine Theorie, Bill?«
»Sie halten sich doch für einen Psychologen - sagen Sie es mir! Es gibt einen Begriff, der erfunden wurde, um es zu beschönigen: der Ungläubigkeitsfaktor. Eine plötzliche Weigerung, der modernen Technologie zu vertrauen.«
»Ich kenne das gut«, meinte Joe. »Das überkommt mich jedes Mal, wenn ich beim Fahren einen anderen Gang einlege.«
Joe dachte, er würde am meisten aus Armitage herausbekommen, wenn er ihren Austausch so locker wie möglich gestaltete und, so weit er konnte, die alte Beziehung aufrechterhielt. »Aber ich begreife allmählich, wie eine gut platzierte Truppe von Marinehelferinnen auf See für ein Chaos hätte sorgen können«, fügte er vorsichtig hinzu.
»Ja, es kann keinen Zweifel geben, dass Jellicoes Zögern auf Ungläubigkeit zurückzuführen war, aber - denken Sie einmal darüber nach! Nehmen Sie an, ein Funker wäre in der Position, ihm eine weitere Nachricht zu senden, die seine eigenen Zweifel bestätigt. ›Vorherige Meldung ignorieren … Übermittlung fehlerhaft … Hochseeflotte jetzt westwärts unterwegs …‹ Das hätte seine Entscheidung zweifelsohne beeinflusst!«
»Ganz sicher. Wir wünschen uns alle eine Bestätigung für unsere eigenen Fehlurteile.«
Armitage sah ihn einen Augenblick fest
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