Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Alice diskret vor die Tür gestellt worden war, und ging zu Maisie. Gebadet, rasiert und angezogen hatte sein Tag schon begonnen, und er freute sich auf ihn, aber er wollte nicht ohne die tröstliche und intime Routine gehen, mit Maisie Klatsch und freundliche Beleidigungen auszutauschen. Er ruckelte sie wach und schwenkte die duftende Tasse vor ihrer Nase. Während sie sich ins Wachbewusstsein schüttelte, meinte er: »Es ist April, Maisie. Verdammt, es ist sogar schon fast Ende April.«
»Ja und?«, meinte sie verwirrt.
»Jetzt ist es vier Jahre her, seit wir uns in Simla trafen!«
»Grundgütiger! Erst vier Jahre? Bist du sicher? Kommt mir vor wie zehn. Kann nicht behaupten, dass ich mir je Mühe mit Jahrestagen gemacht hätte. Du bist viel zu romantisch … das kann ziemlich enervierend sein. Ist die Zeitung schon da?«
»Hier bitte. Voller Einzelheiten über die königliche Geburt. Der Herzog und die Herzogin von York haben eine Tochter bekommen, die kleine Lady Elizabeth. Vierte in der Thronfolge und all das. Man sollte meinen, wo doch ein Generalstreik vor der Tür steht, könnten sie auf den Titelseiten etwas Ernsthafteres bringen.«
»Ach, ich weiß nicht. Was könnte ernsthafter sein als neues Leben? Ist doch eine nette Abwechslung, über eine Geburt nachzudenken als über den Tod … für mich jedenfalls. Gib mal her.«
»Erzähl mir von deinem Abend, Maisie. Für mich sah es so aus, als ob er ziemlich erfolgreich verlaufen wäre. Die Luft war aufgeheizt mit Emotionen, könnte man sagen!«
»Es lief gut. Für einige besser als für andere, versteht sich. So ist es immer. Ich hatte noch nie eine Séance, bei der alle Anfragen durchkamen. Ist auch besser so. Die Neuen möchten oft lieber zusehen und zuhören, anstatt teilzunehmen. Sie möchten sich ein Bild machen und den Austausch mit den alten Hasen hören. Wenn sie dann etwas Zutrauen gefasst haben, versuchen sie es mit einer Anfrage. Es gab drei Kontakte gestern Abend. Bei acht Gästen am Tisch ist das gar nicht mal so schlecht.«
Er wusste, dass Maisie es bevorzugte, nur am Rande von ihrer Arbeit als Medium zu sprechen. Sie war sich nie sicher, ob Joe wirklich an das glaubte, was sie tat. Joe ebenfalls nicht. Er war in tiefster Seele Skeptiker. Seine festen Überzeugungen waren erschüttert worden, als er eines Nachts in Simla Maisies Fähigkeiten entdeckte. Sie arbeitete unter dem Künstlernamen Minerva Freemantle und war von Joe gezwungen worden, ihn bei einer Mordermittlung zu unterstützen. Seit ihrer Rückkehr aus Indien hatten sie es sich zur Gewohnheit gemacht, ihren Beruf als das bemerkenswert erfolgreiche und profitable Geschäft zu betrachten, das es war. Profitabel, sicher, aber Maisie war überzeugt, dass ihre Arbeit auch einen therapeutischen Nutzen hatte. Wenn jemand verzweifelt ihrer Hilfe bedurfte, um Kontakt zu einem geliebten Menschen herzustellen, der von ihm gegangen war - und acht Jahre nach dem Krieg gab es von diesen Verzweifelten immer noch jede Menge -, dann half sie gern. Kostenlos, wenn der Kunde es sich nicht leisten konnte. Ihre zahlreichen wohlhabenden und dankbaren Kunden glichen die Verluste wieder aus. Das schicke Haus mit dem diskreten Garten in dem zunehmend gefragten Viertel gehörte ihr, und sie war, solange Joe sie kannte, finanziell unabhängig gewesen. Auch emotional unabhängig, wie er mit Erleichterung feststellte. Manchmal fragte er sich, ob sie Joe Sandilands unter der Überschrift »emotionaler Wohltätigkeitsfall« eingeordnet hatte. Sie war schwer zu durchschauen. Er akzeptierte die Annehmlichkeiten und die Unterstützung, die er in ihrer Beziehung fand, aber es war keine Verbindung, zu der er jemals öffentlich stehen konnte, und beide akzeptierten das.
»Aber wo wir gerade von wirbelnden Emotionen reden, mein Bester, wie steht es mit dir? Wie ist dein Abend mit der Admiralstochter verlaufen?«
»Elspeth Orr? An ihr freut sich nur ein fader Tor!« Joe grinste. »Daraus wird nichts, Maisie, daraus wird nichts.«
Maisie machte große Augen und streckte ihre Tasse zum Auffüllen aus. »Du bist viel zu wählerisch! Wie alt bist du mittlerweile? Zweiunddreißig? Dreiunddreißig? Es wird Zeit, dass du eine Familie gründest. Du solltest endlich aus deiner verrückten Wohnung am Fluss ausziehen und dir eine nette, kleine Villa in Hampstead kaufen.«
Sie lächelte, als sie das Entsetzen in seinem Gesicht sah. »Nanu? Fühlst du dich von der Idee eines ordentlichen, kleinen Heimes gar nicht in
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