Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Mittag? Sie wissen beide, was Sie morgen zu tun haben?«
»Ja, Sir.«
»Ja, Sir.«
Joe zog sich den Hut über die Augen und schlief ein.
Es dämmerte, als er aus dem Wagen stieg und zusah, wie dieser nach Norden weiterfuhr. Als er außer Sichtweite war, drehte Joe Piccadilly und St. James, die ihn zu seinem Club geführt hätten, den Rücken zu und machte sich in die entgegengesetzte Richtung auf. Nach fünf Minuten raschen Gehens durch Knightsbridge bog er links ab, vorbei an den kleinen, eckigen viktorianischen Häusern, abgetrennt von der Straße durch dichtes Grün. Die Lampen waren eben entzündet worden, und Joe spazierte ruhig weiter, vermied die Lichtteiche, die sie schufen. Er erreichte das Haus, das er suchte, blieb in einem dunklen Winkel auf dem Bürgersteig gegenüber stehen und hielt die Augen offen.
Ein flüchtiger Beobachter hätte angenommen, irgendeine Feierlichkeit würde zeitig enden. Taxis fuhren vor, ein Rolls-Royce mit Chauffeur blieb schnurrend vor dem Bürgersteig stehen. Ein Paar, erregt plaudernd, stieg in einen geparkten Dodge und fuhr ruckelnd los. Eine weinende Dame wurde von zwei Begleitern getröstet und tränenblind in ein Taxi gesetzt. Merkwürdige Gästeliste! Joe zählte acht Personen. Einige befanden sich in einem emotionalen Zustand, waren verstört oder weinten offen, andere redeten laut und gestikulierten. Joe wartete, bis der letzte Wagen davongefahren war, dann überquerte er die Straße und ging leise den abseits liegenden Weg zum Haus hoch und zog an der Glocke.
Die Tür wurde sofort von einem Hausmädchen mit Haube und Bändchen geöffnet. Joe trat ein und reichte ihr seinen Hut. »Sie müssen mich nicht anmelden, Alice«, sagte er und ging zum Salon.
Er wurde von einem nur schwach beleuchteten, mit schweren Vorhängen verdunkelten Raum begrüßt. Ein Feuer verebbte im Kamin, elektrische Lampen erhellten diskret einen polierten Tisch. Stühle waren sorglos verlassen worden. Es lag der Duft von Zigarrenrauch in der Luft, jedoch keine Spur von Essen oder Trinken. Eine dunkelhaarige Frau saß am Kopfende des Tisches, den Kopf in den Händen vergraben. Ihr weit ausgeschnittenes, ärmelloses, dunkelrotes Kleid offenbarte ein herrliches, wenn auch unmodisch üppiges Dekolletee und weiße Schultern. Sie hob den Kopf, seufzte, nahm ihre Ohrringe ab und zog die Nadeln aus den glänzenden, schwarzen Haaren, die daraufhin auf ihre Schultern fielen. Diese einfache Geste verwandelte ihr Aussehen von einer ertaubten Herzogin, die soeben zur Gänze den Ring-Zyklus hatte aussitzen müssen, zu einer müden, jungen Frau, die sich aufgehübscht hatte.
»Mrs. Freemantle! Ein erschöpfender Abend?«
Joes Frage wurde mit einem Stöhnen beantwortet. »Nicht so erschöpfend, wie es hätte sein können!«, erwiderte sie mit düsterer Vorahnung. »Was soll das werden? Eine Razzia? Ich bin nicht sicher, ob ich eine Razzia gerade jetzt ertragen kann, Commander. Es war eine besonders kräftezehrende Sitzung. Ich habe alles gegeben.«
»Tut mir leid, das zu hören, Minerva. Anscheinend fühlen sich deine Gäste aber sehr belebt. Ich bin ihnen auf dem Weg hierher begegnet. Keine Sorge! Ich habe mich hinter einen Lorbeerbusch gedrückt. Niemand hat mich bemerkt. Wir wollen doch nicht, dass die Anwesenheit der Polizei die Leichtgläubigen verschreckt!«
»Sehr einfühlsam von Ihro Gnaden! Wenn es dir nichts ausmacht, dann zeig noch ein wenig mehr Rücksichtnahme, mein Lieber, und verschwinde! Ich bin fix und alle.«
Joe grinste und öffnete einen Schrank neben dem Kamin. Er entnahm eine Flasche 18-jährigen Macallan und zwei Gläser und goss großzügig ein. Er fügte einige Tropfen Eiswasser aus einer Karaffe auf dem Tisch in eines der Gläser und reichte es Mrs. Freemantle. Sie nippte verzückt an ihrem Drink, die Augen über den Rand des Glases auf Joe gerichtet. Er trank rasch seinen Whisky und stellte das Glas auf den Kaminsims. Auf besitzergreifende Weise beugte er sich vor und verteilte die Glut, ließ sie für die Nacht erkalten und stellte sorgfältig das Kamingitter auf. Dann ging er durch den Raum, löschte ein Licht nach dem anderen und schob zu guter Letzt die schweren Brokatvorhänge vor.
»Für heute ist es genug, Maisie, meine Liebe.«
Er nahm sie in die Arme und streichelte ihre Haare. »Zeit, dass du ins Bett kommst und sicher in den Armen des Gesetzes ruhst! Wir unterhalten uns morgen früh.«
Joe goss eine Tasse von dem Tee des Sechs-Uhr-Tabletts ein, das von
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