Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Händen könnten sie sich als äußerst explosiv erweisen.
Ein diskretes Hüsteln von der anderen Seite des Schreibtisches forderte seine Aufmerksamkeit für die vor ihm liegende Aufgabe ein.
»Ich werde das Memo selbst adressieren und zustellen, Miss Holland. Tippen Sie als Überschrift einfach ›Top Secret‹. Um alle glücklich zu machen. Denen gefällt dieser Unsinn. Unter dem heutigen Datum und der Uhrzeit schreiben Sie: ›Vorgehensweise in Übereinstimmung mit der Absprache hinsichtlich des heutigen Tages. Fall abgeschlossen. Keine Probleme zu erwarten.‹ Das wäre bei diesem Memo alles. Ach, bevor wir weitermachen - es gibt einen kleinen Blumenladen … in der Jermyn Street, glaube ich … ich möchte, dass Sie für Donnerstag auf meinen Namen einen Kranz bestellen.«
»Ophelien gelten im Allgemeinen als die beste Wahl, glaube ich, Sir.«
»Wenn Sie das sagen, Miss Holland. Und … Lilien? Was halten Sie von Lilien? So schwären Lilien schlimmer weit als Gift «, zitierte er für sich selbst. »Sehr angemessen.«
Zu spät wurde ihm klar, dass er aus reiner Gewohnheit die Zeile aus einem Sonett von Shakespeare laut ausgesprochen hatte.
»Denn wenn Verwesung schönste Wesen trifft« , ergänzte Miss Holland glücklich. »Das war die Zeile davor - also gehen zwei Punkte an mich, glaube ich.«
Sie konkurrierten regelmäßig am Schreibtisch im Benennen von Zitaten; dieses Spiel war die einzige Vertraulichkeit, die sie sich erlaubten. Da sie seine Bestürzung in diesem speziellen Fall spürte, fügte sie beschwichtigend hinzu: »Aber ich verstehe, was Sie sagen wollen, und werde auf absoluter Frische bestehen, Sir Nevil. Die moderne Lilie verfügt über exzellente Haltbarkeitseigenschaften, glaube ich.«
Als Miss Holland ihren Phantomsalut hinter sich hatte, drehte sie sich auf den Absätzen um und kehrte an ihre Schreibmaschine zurück. Sir Nevil holte tief Luft und schlug die Akten auf.
Joe stürmte beunruhigt und wütend in sein Büro. Er war überrascht, dass mitten auf seinem Schreibtisch eine Akte lag. Er hatte bei seinem hastigen Aufbruch doch hoffentlich kein Schriftstück vergessen? Auf der Akte befand sich eine Bleistiftnotiz, die seine Frage beantwortete:
Von Constable Smithson, Dokumentationsabteilung. Bedauere, Sie nicht angetroffen zu haben, Commander. Sie haben gestern Vormittag diese Akte angefordert. Ich hatte Mühe, sie aufzutreiben, da sie ohne Vollmacht entfernt worden war. Als ich vor einer halben Stunde noch einmal hartnäckig nachhakte, fand sich besagte Akte plötzlich wieder in dem Regal. Bitte geben Sie die Akte baldmöglichst zurück, Sir.
Joe nahm sich vor, Constable Smithson zu seiner Hartnäckigkeit zu beglückwünschen. Der Inhalt hatte wahrscheinlich nach seinem Gespräch mit Sir Nevil an Brisanz verloren, aber seine Neugier zwang ihn, sie dennoch aufzuschlagen.
»Also gut, Armitage, mein Freund«, murmelte er leise, »wollen sehen, was an dir so Besonderes ist, dass es eine Warteliste für deine Akte gibt.«
Er blätterte durch die Einzelheiten von Bills Aufnahme bei der Polizei und seine Ausbildungsbewertungen (herausragend). Joe fand keinen Hinweis auf seine Behinderung. Die Jahresberichte seiner befehlshabenden Offiziere waren in strahlenden Farben gezeichnet. Joe erkannte die Hinweise. Die Offiziere schienen die Karriere des jungen Constable gehegt und gepflegt zu haben, hatten ihn einer Reihe von zunehmend anspruchsvolleren und unterschiedlicheren Einsätzen zugeteilt. Ein Muster schälte sich heraus. Bill sollte für einen hochrangigen Posten in der Truppe herangebildet werden.
Die Akte endete abrupt mit einem Eintrag zu dem Erfolg von Armitage beim Abschluss des Wapping-Treppenmordes. Es gab noch keinen Eintrag zu dem Todesfall im Ritz.
»Ein Fragezeichen hinter seinem Namen«, hatte Sir Nevil vage angedeutet. Joe sah da keines. Waren die belastenden Kommentare entfernt worden? Geduldig fing Joe noch einmal ganz von vorn an, versuchte, das Material durch die Augen von Sir Nevil zu betrachten. Ganz vorn in der Akte war ein Formblatt eingeklebt, auf dem der Charakter und die Leistungen des Mitarbeiters zusammengefasst wurden. Ein Kommentar erregte seine Aufmerksamkeit. Bills flüssige Beherrschung mehrerer Fremdsprachen - die er sich während seiner Kriegsjahre und auf einer einjährigen Reise durch Europa angeeignet hatte, welche er sofort nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst unternommen hatte -, wurde wie nicht anders zu erwarten vorteilhaft
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