Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
eingeladen hat. Verflixt! Es rauscht ganz furchtbar in der Leitung! Können Sie mich hören? Was steht denn in seinem Terminkalender? War es das Ciro? Nein? … Ach, ich Dummerchen! Ja, natürlich! Danke, Jenkins. Sie sind ein Schatz!«
Joe hatte seinen Platz am Schreibtisch verlassen und sich während ihres Telefonats neben Tilly gestellt. Er war von ihrer Kühnheit sowohl beunruhigt als auch fasziniert. Er beugte sich zum Hörer hinunter, konnte aber nicht verstehen, was die Stimme sagte, der sie mit schelmenhafter Großäugigkeit antwortete.
Dann legte sie den Hörer auf und drehte sich zu ihm um. »Ich hab’s! Er ist heute um acht im Kit-Cat-Club.«
»Aber natürlich! Das Kit-Cat! Wo auch sonst?« Joe schlug sich mit der Handfläche bühnenreif auf die Stirn, konnte aber einen Anflug echter Erregung nicht verbergen. »Darauf hätten wir von allein kommen sollen. Mathurin ist nicht dafür bekannt, dass er besondere Ereignisse verpasst.«
»Ein besonderes Ereignis? Was für ein besonderes Ereignis?«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie nichts davon gehört haben? Wo Sie doch einer der hellsten, jungen Köpfe in London sind? Diese Woche - und nur diese Woche! - geben sich jeden Abend Paul Whiteman und seine Band die Ehre. Tritt zur Seite, Jack Hylton mit deinem knarzenden Orchester, und mach Platz für einen Hauch Glamour aus Amerika!«
»Paul Whiteman? Sind Sie sicher?«
»Ja. Er ist auf Tournee durch England. Sie haben im Tivoli-Kino aufgespielt, aber für kurze Zeit konnten sie ins Kit-Cat gelockt werden.«
»Aha. Der Grund dafür ist nicht schwer zu erraten«, meinte Tilly wissend. »Sie haben hochstehende Bewunderer, die Sorte, die Cocktails und Tanzmusik erwarten, wenn sie ihre Lieblingsband hören. Die Mountbattens und, wie es heißt, der Prince of Wales … Oh, Sir! Glauben Sie, er wird auch dort sein?«
»Das halte ich für sehr wahrscheinlich. Ziehen Sie für den Fall der Fälle Ihr bestes Kleid an!«
Tilly kam ein niederschmetternder Gedanke. »Es wird völlig überlaufen sein. Wir kommen nie und nimmer hinein. Und muss man nicht überhaupt Mitglied sein? Ich glaube schon.«
»Ja, man muss und ich bin’s. Eine Art Ehrenmitglied. Aus demselben Grund kommen wir auch am Türsteher vorbei, gleichgültig wie voll es ist.« Er lächelte angesichts ihres verblüfften Gesichtsausdrucks. »Ich habe kurz nach der Eröffnung des Kit-Cat dort eine Razzia durchgeführt. Reine Routine, um unsere Autorität zu zeigen. Ich habe ihnen grünes Licht gegeben. Seit damals ist der Geschäftsführung immer sehr daran gelegen, mich besonders herzlich zu begrüßen. Und machen Sie sich keine Sorgen - ich werde nicht mit rasselnden Handschellen in der Gesäßtasche auftauchen.«
Sie lächelte nervös zurück. »Sir, diese Seite an Ihnen überrascht mich. Ich hätte Sie nie für einen Jazzliebhaber gehalten. Äh … können Sie denn tanzen?«
Ohne Vorwarnung trat Joe einen Schritt nach vorn, riss sie in seine Arme und schwang sie in einem raschen Quickstep durch den Raum, wobei er die Melodie von »You took advantage of me« in ihr Ohr raunte. Sie reagierte ohne zu zögern, bewegte sich so leichtfüßig mit ihm, wie es ihre schwere Uniform erlaubte. Der spontane Tanz kam zu einem abrupten Ende, als Tilly über den Hutständer neben der Tür stolperte, zu kichern anfing, aus dem Tritt kam und mit ihrem Polizeistiefel schwer auf Joes Fuß niedersauste.
Sie setzten sich wieder, beide etwas verlegen. Tilly fand als Erste ihre Haltung und ihren Atem wieder. »Ich werde heute Abend meine leichtesten Tanzschuhe tragen, das verspreche ich. Ich muss schon sagen, ich freue mich sehr darauf, aber …«
»Aber Sie fürchten, dass wir einen Regelverstoß begehen?«
»Etwas in der Art.«
»Dann hören Sie auf, sich zu sorgen. Wir sind beide außer Dienst.«
»Hat man Sie denn nicht angewiesen, keine Befragungen mehr durchzuführen und den Fall abzuschließen? Das haben Sie doch gesagt. Warum - entschuldigen Sie bitte meine Neugier, ich kann nicht anders! -, warum verfolgen Sie die Ermittlung dann noch weiter?«
Joe dachte einen Augenblick über diese Frage nach. »Ich kann Dame Beatrice nicht preisgeben. Ich kann sie nicht begraben, ohne zu wissen, wer sie in die Grube geworfen hat und warum. So ist es immer bei Mordfällen. In dem Augenblick, in dem ich dem Toten ins Gesicht schaue, gehe ich eine Verpflichtung ein.«
Sie schwieg, wartete auf mehr, verstand, dass er diesen Gedanken womöglich zum ersten Mal in Worte
Weitere Kostenlose Bücher