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Die Tote im roten Cadillac

Die Tote im roten Cadillac

Titel: Die Tote im roten Cadillac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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McGorvyns Uniform sah, legte er den Riegel zurück und machte ganz auf.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er. »Dieses Haus ist ein Narrenhaus. Sie kommen alle Augenblicke herauf und beschweren sich darüber, daß ich nachts nicht schlafen kann. Aber kein Mensch kann mich zwingen, nachts zu schlafen, auch die Polizei nicht, wenn ich keine Lust dazu habe. Aber kommen Sie ruhig herein. Im Augenblick ist mein Gewissen auch sonst so rein wie mein Hemd — oder vielleicht noch ein bißchen sauberer.«
    Wir standen in einem langen, schmalen Korridor, in dem es aussah, als hätten die Möbelpacker gerade alles für einen Umzug hergerichtet. Kisten, Koffer und Pakete standen überall herum.
    »Ziehen Sie aus?« fragte ich.
    Gianetti schüttelte den Kopf.
    »Keine Spur. Warum denn?«
    Ich wies auf das Gerümpel, aber er schüttelte den Kopf.
    »Nein, da sind nur Sachen drin, die ich nicht unbedingt brauche, und ich bin zu faul, sie auszupacken. Womit habe ich mir die Ehre Ihres Besuches verdient, meine Herren?«
    Jetzt bei Licht sahen wir, daß er höchstens Fünfunddreißig sein konnte. Er hatte nur eine Hose an, und seine nackte Haut war bräunlich, wie man es häufig bei Italienern findet.
    »Wir suchen ein Mädchen namens Mabel O’Kenneth. Die kennen Sie doch, nicht?«
    »Einen Augenblick«, sagte er und steckte den Kopf durch eine Tür.
    »Zieh dich lieber an, Rosy!« rief er. »Wir haben Besuch bekommen!«
    Ein schriller Quietscher war die Antwort.
    McGorvyn hob beschwörend beide Hände.
    »Machen Sie sich nur keine Umstände, Mister Gianetti! Wir wollten ja nur was über das Mädchen wissen.«
    »Ach Gott, ja«, sagte er. »Was hat sie denn ausgefressen?«
    »Wir wollen nur mal mit ihr sprechen.«
    »Jetzt, um diese Zeit? Da ist doch bestimmt irgendeine Kiste aufgegangen, was? Na ja — ich will nichts gesagt haben. Sie hat mich sitzenlassen, dieses Luder, mitten in der Arbeit. Eine ganze Serie hätte ich noch mit ihr fotografieren und verkaufen können, aber sie ist auf und davon. Ganz plötzlich, von heut auf morgen. Der Teufel soll sie holen, mit Rosy macht das nicht halb soviel Vergnügen. Aber ich hab’ ihr’s schon immer gesagt, sie soll nicht ihre eigenen Flaschen in den Bars verkaufen, weil das Betrug ist. Hat sie vielleicht...«
    »Nein, sie hat nicht!« unterbrach ich seinen Redeschwall. »Sagen Sie uns, wo sie wohnt!«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Interessiert mich nicht. Kein bißchen.«
    »Aber uns!« brüllte McGorvyn. Ein erstaunter und mißbilligender Blick traf ihn.
    »Als sie noch für mich arbeitete«, sagte Gianetti beleidigt, »da wohnte sie Chapman Street 17. Das ist da unten, gegenüber den Tennisplätzen. Ich weiß nicht, ob sie dort nicht ausgezogen ist. Aber die könnten dort vielleicht wissen, wo sie jetzt ist.«
    Wir bedankten uns für die Auskunft, und Mister Gianetti war sehr enttäuscht, daß wir keine Lust hatten, mit ihm und seiner Freundin etwas zu trinken.
    Wir trampelten die Treppe hinunter und fuhren in die Chapman Street.
    Auch hier fanden wir ihren Namen nicht an der Tür. Es war auch kein Hausmeister da, den wir hätten herausklingeln können.
    Wir läuteten deshalb auf gut Glück im Parterre und hatten zufällig den richtigen Knopf erwischt: die alte Dame, die uns öffnete, sagte uns sofort, daß Mabel zwei Zimmer von ihr gemietet habe.
    Wahrend sie uns in den Vorraum führte, erkundigte sie sich sehr besorgt nach dem Anlaß unseres Besuches.
    »Miss O’Kenneth«, sagte sie mit vor Aufregung zitternder Stimme, »ist ein so reizendes Mädchen, so anständig, wissen Sie — gar keine Schwierigkeiten mit Herrenbesuchen und so. Ist ihr etwas zugestoßen?«
    Wir standen in einem mittelgroßen Vorraum, der mit alten, gediegenen Möbeln recht hübsch eingerichtet war. An den Wänden hingen in schmalen Goldrahmen einige Stiche von Daumier.
    »Das sind ihre Zimmer«, sagte die Hausfrau mit einem Gesicht wie ein in die Enge getriebenes Kaninchen. Sie klopfte, uns zaghaft ansehend, an die rechte Tür. »Das ist ihr Schlafzimmer«, erklärte sie und klopfte nochmals.
    Als keine Antwort kam, blickten McGorvyn und ich uns an.
    »Abgesperrt?« fragte der Leutnant.
    Die alte Dame drückte die Klinke herunter.
    »Nein, es ist offen.«
    »Dürfen wir mal ‘reingehen?« fragte McGorvyn und hatte die Klinke schon in der Hand.
    »Ja — aber — ist denn irgendwas passiert?«
    »Wissen wir noch nicht«, meinte McGorvyn und betrat das Schlafzimmer. Er machte Licht, und ich ging hinter ihm

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