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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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einer Kugel und warf die
    Kugel in einen braunen Metallkorb unter dem Kühler. Er wanderte
    zu den Fenstern, stand da und sah zur Bucht hinaus. Es war kurz vor Beginn der Verdunkelung, und im Yacht‐Hafen waren viele
    Lichter zu sehen.
    Er kam langsam zurück zu seinem Tisch und setzte sich. Er fuhr sich mit der Hand ins Gesicht und kniff sich in die Nase. Er schien
    einen Entschluß zu fassen. Er sagte langsam: »Ich verstehe nicht, was es für einen verdammten Sinn haben soll, wenn man versucht,
    das mit Sachen zusammenzurühren, die eineinhalb Jahre zurücklie‐
    gen.«
    »In Ordnung«, sagte ich. »Und vielen Dank, daß Sie mir Ihre wert‐
    volle Zeit geopfert haben.«
    »Ist es schlimm mit Ihrem Bein?« fragte er, als ich mich hinunter‐
    beugte und daran rieb.
    »Ziemlich schlimm, aber das wird schon wieder.«
    »Die Polizei«, sagte er fast sanft. »Das ist schon ein verteufeltes Problem. Es ist im großen und ganzen wie mit der Politik. Es verlangt die besten Leute, und die besten Leute werden durch kaum etwas angezogen. So müssen wir mit dem zurechtkommen, was wir
    bekommen, und damit bekommen wir auch solche Sachen.«
    »Ich weiß das«, sagte ich. »Ich hab’s schon immer gewußt. Und ich
    bin darüber auch nicht verbittert. Gute Nacht, Captain Webber.«
    »Warten Sie einen Augenblick«, sagte er. »Setzen Sie sich doch noch einen Augenblick hin. Wenn wir schon den Fall Alrnore damit
    in Verbindung bringen müssen, dann wollen wir ihn auch fein sau‐
    ber auspacken und ihn uns genau anschauen.«
    »Höchste Zeit, daß jemand das tut«, sagte ich. Ich setzte mich wie‐
    der hin.
    Webber sagte ruhig: »Vermutlich glauben manche Leute, daß wir
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    hier nicht mehr als eine Bande von Gaunern sind. Vermutlich glau‐
    ben manche Leute, daß ein Kerl, wenn er seine Frau umgebracht hat,
    mich bloß anzurufen und zu sagen braucht: ›Hallo Cap, ich hab da
    ’nen kleinen Mord, der mir mein Wohnzimmer in Unordnung
    bringt. Und ich hab fünfhundert Eier und keine Pfanne dafür!‹ Und
    dann sage ich: ›Prima. Lassen Sie alles, wie’s ist. Ich bin gleich mit
    ’ner Decke da!‹«
    »Nicht ganz so schlimm«, sagte ich.
    »Weswegen wollten Sie Talley sprechen, als Sie heute abend zu
    seinem Haus gefahren sind?«
    »Er hat was über den Tod von Florence Almore herausgefunden.
    Ihre Eltern haben ihn engagiert, um die Spur weiter zu verfolgen.
    Doch was es war, hat er ihnen nie erzählt.«
    »Und Sie glauben, er hätte es ausgerechnet Ihnen erzählt?« fragte
    Webber sarkastisch.
    »Ich mußte es zumindest versuchen.«
    »Oder war’s nur deshalb, weil Degarmo Ihnen grob gekommen
    war und Sie dachten, Sie müßten ihm das heimzahlen?«
    »Das hat vielleicht auch ’n bißchen mit ’ne Rolle gespielt«, sagte ich.
    »Talley war ein mieser Erpresser«, sagte Webber verächtlich. »Bei
    mehr als nur einer Gelegenheit. Es war auf jeden Fall gut, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Aber ich will Ihnen sagen, was er in der Hand hatte. Einen Slipper, den er vom Fuß der toten Florence Almore gestohlen hatte.«
    »Einen Slipper?«
    Er lächelte schwach. »Ja, nur ’nen Schuh. Man hat ihn später in seinem Haus versteckt gefunden. Einen grünen, seidenen Tanz-pumps, der am Absatz mit kleinen Steinen besetzt war. Ein maßge‐
    arbeiteter Slipper von einem Mann in Hollywood, der für den Film
    und so Schuhe anfertigt. Und jetzt fragen Sie mich, was an dem Slipper so besonders war.«
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    »Was war an dem Slipper so besonders?«
    »Sie besaß zwei Paare, absolut gleiche Paare, die auf einen Auftrag
    hin angefertigt worden waren. Anscheinend ist das nicht unüblich.
    Für den Fall, daß einer davon zerkratzt wird oder daß ein betrunke‐
    ner Idiot einer Dame auf den Fuß latscht.« Er machte eine Pause und
    lächelte dünn. »Es hat den Anschein, daß eines der beiden Paare noch nie getragen worden war.«
    »Ich fange an zu verstehen. Glaub ich wenigstens.«
    Er lehnte sich zurück und legte seine Arme auf die Stuhllehne. Er
    wartete.
    »Der Weg von der Seitentür des Hauses zu der Garage ist aus rau‐
    hem Zement«, sagte ich. »Aus ganz schön rauhem. Angenommen,
    sie ist nicht hingegangen, sondern wurde hingetragen. Und mal wei‐
    ter angenommen, derjenige, der sie getragen hat, zog ihr die Slipper
    an und erwischte einen ungetragenen.«
    »Ja?«
    »Und angenommen, Talley hat das bemerkt, während Lavery nach
    dem Doktor telefonierte, der unterwegs war. Er schnappte sich also
    den ungetragenen Slipper, weil er darin

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