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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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ein Beweisstück erblickte, daß Florence Almore ermordet worden war.«
    Webber nickte: »Es war ein Beweisstück, wenn er’s gelassen hätte,
    wo es war, und wenn die Polizei es gefunden hätte. Nachdem er’s weggenommen hatte, war’s nur ein Beweisstück dafür, daß er ’ne Ratte ist.«
    »Ist ihr Blut auf Kohlenmonoxyd hin untersucht worden?« Er legte
    seine Hände flach auf den Tisch und sah auf sie hinunter. »Ja«, sagte
    er. »Und man fand genügend Kohlenmonoxyd. Jedenfalls genug,
    daß die Untersuchungsbeamten damit zufrieden waren. Es gab kei‐
    nerlei Spuren von Gewaltanwendung. Sie ließen es damit bewen‐
    den, daß Dr. Almore seine Frau nicht ermordet hatte. Vielleicht war
    das falsch. Ich denke, daß die Untersuchung ein bißchen ober‐
    flächlich vorgenommen worden ist.«
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    »Und wer war dafür verantwortlich?«
    »Ich denke, Sie wissen darauf selbst die Antwort.«
    »Als die Polizei kam, hat sie da nicht gemerkt, daß ein Slipper fehlt?«
    »Als die Polizei kam, fehlte kein Slipper. Erinnern Sie sich bitte daran, daß Dr. Almore schon wieder zu Haus war, auf Laverys Anruf hin, bevor die Polizei angerufen wurde. Alles, was wir über den
    fehlenden Schuh wissen, stammt von Talley selbst. Vielleicht hat er
    ja den ungetragnen Schuh aus dem Haus genommen. Die Seitentür
    war ja offen. Und die Dienstmädchen schliefen. Dagegen läßt sich allerdings einwenden, daß er schwerlich wissen konnte, daß es
    überhaupt ungetragene Schuhe gab. Sonst war’s ihm durchaus zu‐
    zutrauen. Er ist ein scharfer und raffinierter falscher Hund. Aber ich
    glaube nicht, daß er alles Nötige dazu wissen konnte.«
    Wir saßen da, sahen uns an und überlegten.
    »Es sei denn«, sagte Webber langsam, »wir könnten annehmen,
    daß die Sprechstundenhilfe mit Talley unter einer Decke steckte, weil sie Almore gemeinsam erpressen wollten. Möglich war’s. Es
    gibt auch Anzeichen, die dafür sprechen. Und noch mehr, die dage‐
    gen sprechen. Was für Gründe haben Sie, zu behaupten, daß das ertrunkene Mädchen oben in den Bergen die Sprechstundenhilfe
    gewesen sei?«
    »Zwei Gründe, von denen keiner allein schlüssig ist, die aber zu‐
    sammengenommen ziemlich überzeugend wirken. Ein grober Kerl,
    der wie Degarmo ausgesehen haben muß und sich auch so aufführ‐
    te, war vor ein paar Wochen oben und zeigte ein Foto von Mildred
    Haviland herum, das Muriel Chess ähnlich sah. Die Haare und die
    Augenbrauen und ähnliches waren zwar anders, aber sonst war da
    eine frappierende Ähnlichkeit. Niemand hat ihm weitergeholfen. Er
    nannte sich De Soto und behauptete, er sei Polizist aus Los Angeles.
    In Los Angeles gibt’s keinen Beamten, der so heißt. Als Muriel Chess
    davon hörte, bekam sie’s sichtlich mit der Angst. Wenn’s Degarmo
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    war, wäre das leicht zu verstehen. Der andere Grund ist ein golde‐
    nes Fußkettchen mit einem Herz, das in einer Büchse mit Puderzuk‐
    ker im Haus von Chess versteckt war. Nach ihrem Tod fand man es,
    nachdem man ihren Mann verhaftet hatte. Auf der Rückseite des
    Herzens war etwas eingraviert: ›Von AI für Mildred. 28. Juni 1938.
    Mit all meiner Liebe.‹«
    »Könnte genausogut ein x‐beliebiger AI und eine x‐beliebige Mil‐
    dred sein«, sagte Webber.
    »Das glauben Sie nicht im Ernst, Captain.«
    Er beugte sich vor und stieß mit seinem Finger ein Loch in die Luft. »Und was genau wollen Sie aus all dem machen?«
    »Wenn’s geht beweisen, daß Kingsleys Frau Lavery nicht erschos‐
    sen hat. Daß sein Tod vielmehr etwas mit dem Fall Almore zu tun hat. Und mit Mildred Haviland. Und vielleicht mit Dr. Almore.
    Wenn’s geht, möchte ich beweisen, daß Kingsleys Frau verschwun‐
    den ist, weil etwas geschah, das ihr einen solch gewaltigen Schreck
    einjagte, daß sie vielleicht, schuldig oder nicht, zur Mitwisserin wurde, daß sie aber niemand umgebracht hat. Fünfhundert Dollar
    sind für mich drin, wenn ich das beweisen kann. Und es ist nicht gegen das Gesetz, wenn ich’s versuche.«
    Er nickte: »Sicher nicht. Und ich wäre der letzte, der Ihnen nicht helfen würde, wenn ich auch nur den geringsten Grund dazu sehen
    könnte. Wir haben die Frau noch nicht gefunden, aber die Zeit bis‐
    her war ja auch zu kurz. Aber ich kann Ihnen nicht dabei helfen, einem meiner Leute was anzuhängen.«
    Ich sagte: »Ich habe gehört, wie Sie Degarmo AI genannt haben.
    Aber ich dachte eher an Almore. Sein Vorname ist Albert.«
    Webber betrachtete seinen Daumen. »Aber er

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