Die Tote im See
wissen, daß Kingsleys Frau Lavery erschossen
hat?«
Ich sagte: »Die Verbindung war schon da, als Lavery noch nicht erschossen worden war. Vielleicht war’s nur ’ne lockere Verknüpfung, noch dazu mit ’nem falschen Knoten. Aber doch fest genug, um einen zumindest zum Nachdenken zu bringen.«
»Ich bin in die Sache etwas gründlicher eingestiegen, als Sie vielleicht denken«, sagte Webber kühl, »obwohl ich selbst nicht mit dem
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Mord an Frau Almore befaßt war und damals auch nicht Chef der Mordkommission war. Wenn Sie gestern morgen Almore überhaupt
noch nicht gekannt haben wollen, müssen Sie ja in der Zwischenzeit
viel erfahren haben!«
Ich erzählte ihm genau, was ich erfahren hatte, sowohl von Miss Fromsett als auch von den Graysons.
»Ihrer Theorie nach hat also Lavery Dr. Almore höchst‐
wahrscheinlich erpreßt«, fragte er schließlich. »Und das hat vielleicht etwas mit dem Mord zu tun?«
»Theorie wäre zu viel. Es ist nicht mehr als eine von vielen Mög‐
lichkeiten. Ich würde nichts für meine Arbeit taugen, wenn ich sie ignorieren würde. Vielleicht waren die Beziehungen zwischen Almore und Lavery eng und verbrecherisch, vielleicht waren sie aber
auch nur flüchtige Bekannte oder nicht mal das. Nach allem, was ich
sicher weiß, kann ich nicht mal sagen, ob sie je miteinander gespro‐
chen haben. Aber wenn am Fall Almore nichts komisch ist, warum
springt man dann so hart mit jedem um, der sich auch nur dafür interessiert? Vielleicht war’s Zufall, daß George Talley wegen Trunkenheit am Steuer eingelocht wurde, als er gerade an dem Fall arbei‐
tete. Vielleicht war’s auch Zufall, daß Almore nach der Polizei rief,
bloß weil ich mir sein Haus anschaute, und daß Lavery erschossen
wurde, bevor ich ein zweites Mal mit ihm sprechen konnte. Aber es
ist kein Zufall mehr, wenn zwei Ihrer Leute Talleys Wohnung am Abend beschatten und mir nur deshalb Schwierigkeiten machen
wollen und können, weil ich da auftauche.«
»Das gebe ich zu«, sagte Webber. »Und der Vorfall ist für mich keineswegs erledigt. Wollen Sie deswegen Anzeige erstatten?«
»Ich fürchte, das Leben ist zu kurz, um mit Aussicht auf Erfolg Anzeige wegen Körperverletzung gegen Polizeibeamte zu erstatten.«
Er zuckte ein wenig zusammen. »Dann wollen wir’s begraben sein
lassen und zu unserem reichen Erfahrungsschatz tun«, sagte er.
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»Und wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie nicht mal auf‐
geschrieben worden. Sie sind frei und können nach Hause gehn,
wann Sie wollen. Wenn ich Sie wäre, würde ich den Fall Lavery Captain Webber überlassen, auch wenn sich noch so unwahrscheinliche Zusammenhänge zum Fall Almore ergeben sollten.«
Ich sagte: »Auch wenn sich so unwahrscheinliche Zusam‐
menhänge wie die zu einer Frau Muriel Chess ergeben sollten, die gestern in einem Bergsee in der Nähe von Puma Point ertrunken aufgefunden wurde?«
Er zog seine kurzen Augenbrauen hoch: »Glauben Sie das?«
»Vielleicht kennen Sie sie nur nicht als Muriel Chess. Nehmen wir
mal an, daß Sie sie als Mildred Haviland kannten oder gekannt ha‐
ben könnten, als sie die Sprechstundenhilfe von Dr. Almore war.
Die Mrs. Almore in der Nacht zu Bett gebracht hatte, in der sie dann
tot in der Garage gefunden wurde. Und die, falls ein fauler Zauber
veranstaltet wurde, vielleicht darüber Bescheid wußte. Und die man
geschmiert und so eingeschüchtert hat, daß sie die Stadt bald darauf
verlassen hat.«
Webber griff sich zwei Streichhölzer und zerbrach sie. Seine kleinen ausdruckslosen Augen waren auf mein Gesicht gerichtet. Er
sagte nichts.
»Und an diesem Punkt«, sagte ich, »kommt man an einen wirkli‐
chen grundlegenden Zusammenhang. Der einzig wirkliche, den ich
in der ganzen Sache sehe. Denn diese Mildred Haviland lernte einen
Mann namens Bill Chess in einer Kneipe in Riverside kennen und hat ihn aus Gründen, von denen wir nichts wissen, geheiratet und ist mit ihm an den Little Fawn Lake gezogen. Der Little Fawn Lake
aber gehört einem Mann, dessen Frau intime Beziehungen mit Lave‐
ry hatte, der wiederum Mrs. Almores Leiche fand. Das ist für mich
ein wirklicher Zusammenhang. Es kann weiß Gott was bedeuten,
aber er ist grundlegend, ist fundamental. Und alles hat da seinen Ausgangspunkt.«
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Webber stand hinter seinem Tisch auf, ging hinüber zum Trink‐
wasserkühler und trank zwei Pappbecher Wasser. Er zerdrückte die
Becher langsam in der Hand, knüllte sie zu
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