Die Tote im See
sprechen. Degarmo weiß, warum ich ihn sprechen wollte.«
Degarmo nahm ein Streichholz aus der Tasche und begann lang‐
sam darauf herumzukauen. Er nickte ausdruckslos. Webber beach‐
tete ihn nicht.
Ich sagte: »Sie sind ein dummer Mensch, Degarmo. Alles, was Sie
anfassen, ist dumm gedacht und dumm gemacht. Als Sie gestern
vor Almores Haus auf mich losgegangen sind, wurden Sie gleich
grob, als es noch keinen Grund zum Grobwerden gab. So mußten
Sie mich auf etwas neugierig machen, das mich vorher überhaupt nicht interessiert hatte. Sie mußten mir ja sogar Hinweise dafür geben, wie sich meine Neugierde befriedigen ließe, falls sich das als notwendig erweisen sollte. Alles, was Sie zu tun brauchten, um Ihre
Freunde zu schützen, war die Klappe halten, bis ich von selbst was
unternehmen würde. Ich hätte nichts unternommen, und Sie hätten
sich das alles ersparen können.«
Webber sagte: »Was, zum Teufel, hatte das alles damit zu tun, daß
Sie am zwölf hundertsten Block der Westmore Street verhaftet wor‐
den sind?«
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»Es hat mit dem Fall Almore zu tun«, sagte ich. »George Talley war mit dem Fall Almore beschäftigt – bevor er wegen Trunkenheit
am Steuer eingebuchtet wurde.«
»Ich hatte mit dem Fall Almore nie was zu tun«, knurrte Webber.
»Und ich weiß auch nicht, wer den ersten Dolch in Julius Caesar hineingesteckt hat. Bleiben Sie bei der Sache, wenn Ihnen das nicht
zu schwer fällt.«
»Ich bin bei der Sache. Degarmo kennt den Fall Almore und hat’s
nicht gern, wenn man darüber spricht. Sogar Ihre Streifenpolizisten
wissen das. Cooney und Dobbs hatten keinen Grund, mir zu folgen,
es sei denn, weil ich die Frau eines Mannes besuchte, der sich mit dem Fall Almore beschäftigt hatte. Ich war keine fünfundfünfzig Meilen gefahren, bevor sie anfingen, mich zu verfolgen. Ich habe versucht, ihnen zu entkommen, weil ich die Befürchtung hatte, ich könnte zusammengeschlagen werden, bloß weil ich dort war. Diese
Befürchtung hat mir Degarmo vermittelt.«
Webber blickte Degarmo ruhig an. Degarmos harte blaue Augen
blickten quer durchs Zimmer auf die gegenüberliegende Wand.
Ich sagte: »Und ich hätte Cooney auch keinen auf die Nase gege‐
ben, wenn er mich nicht zum Whiskytrinken gezwungen hätte, um
mich dann, während ich getrunken habe, in den Magen zu boxen, damit ich zu spucken anfange und nach Alkohol rieche. Es ist sicher
nicht das erste Mal, daß Sie von diesem Trick hören, Captain?«
Webber zerbrach ein weiteres Streichholz. Er lehnte sich zurück und blickte auf seine zusammengepreßten Handknöchel. Er sah
wieder zu Degarmo hinüber und sagte: »Wenn Sie heute Polizeichef
geworden sein sollten, dann könnten Sie mich vielleicht einweihen.«
Degarmo sagte: »Ach, zum Teufel, der Private hat bloß ein paar harmlose Klapse abgekriegt. Mehr im Spaß. Wenn der Kerl keinen Spaß vertragen kann…«
Webber sagte: »Haben Sie Cooney und Dobbs rübergeschickt?«
»Das war ich schon«, sagte Degarmo. »Ich sehe nicht ein, warum
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wir diese Schnüffler ermuntern sollen, in unsre Stadt zu kommen und einen Haufen Staub aufzuwirbeln, nur damit sie sich eine goldene Nase holen und aus einem Paar alter gutmütiger Trottel viel Geld rausschlagen. Solche Typen brauchen eine harte Lektion.«
»So sieht das also in Ihren Augen aus?« fragte Webber. »Genauso«,
sagte Degarmo.
»Ich möchte dann gern wissen, was Typen wie Sie brauchen«, sag‐
te Webber. »Im Moment, glaube ich, vor allem ein wenig frische Luft. Darf ich Sie bitten, sich die zu nehmen, Lieutenant?«
Degarmo öffnete langsam seinen Mund: »Heißt das, daß Sie mich
rauswerfen wollen?«
Webber beugte sich abrupt vor, und sein scharfes kleines Kinn
schien die Luft zu durchschneiden wie der Bug eines Kreuzers das
Wasser. »Hätten Sie die Freundlichkeit?«
Degarmo stand langsam auf, während sich auf seinen Backenkno‐
chen dunkelrote Flecken abzeichneten. Er stützte sich mit einer fla‐
chen Hand auf den Tisch und sah Webber an. Es herrschte einen Augenblick herausfordernde Stille. Er sagte:
»Okay, Captain. Aber Sie machen einen Fehler.«
Webber antwortete ihm nicht. Degarmo ging zur Tür und hinaus.
Webber wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte, bevor er sprach.
»Sie sind überzeugt davon, daß Sie das Almore‐Ding von vor an‐
derthalb Jahren mit der Ballerei in Laverys Haus in Verbindung bringen können? Oder ist das nur ein Vernebelungsversuch, weil Sie
verdammt genau
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