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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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welche, zündete
    sich eine mit lässiger Umständlichkeit an und lächelte ausdruckslos
    in eine Zimmerecke.
    Kingsley stand mitten im Zimmer und versuchte sein Kinn zu
    kauen. Ich ging hinaus in die Kochnische, mixte drei Drinks, brachte
    sie herein und reichte den beiden ihr Glas. Meins behielt ich in der
    Hand und setzte mich damit in den Sessel neben dem Schachtisch.
    Kingsley sagte: »Wo haben Sie denn gesteckt, und was ist mit Ih‐
    rem Bein los?«
    Ich sagte: »Ein Bulle hat mich geschlagen. Als Geschenk von der Polizei aus Bay City. Sie verteilen so was dort regelmäßig. Wo ich gesteckt habe – im Gefängnis wegen Trunkenheit am Steuer, und
    nach dem Ausdruck auf Ihrem Gesicht zu schließen, werde ich dort
    bald wieder landen.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Kingsley. »Ich habe nicht
    die leiseste Ahnung. Aber es ist nicht der richtige Augenblick, um Witze zu reißen.«
    »Dann lassen Sie’s«, sagte ich. »Was haben Sie gehört und wo
    steckt sie?«
    Er setzte sich mit seinem Glas hin, ballte seine rechte Hand und steckte sie in seine Jacke. Sie kam mit einem Briefumschlag wieder zum Vorschein, einem länglichen Briefumschlag.
    »Sie müssen ihr das hier bringen«, sagte er. »Fünfhundert Dollar.
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    Sie wollte mehr, aber mehr kann ich momentan nicht abheben. Ich habe einen Scheck in einem Nachtclub eingelöst. Es war nicht leicht.
    Sie muß aus der Stadt verschwinden.«
    Ich sagte: »Aus welcher Stadt?«
    »Bay City. Irgendwo dort, ich weiß nicht, wo. Sie wird Sie in einem Lokal treffen, das Peacock Lounge heißt, am Arguello Boulevard, bei der Eighth Street oder in der Nähe davon.«
    Ich schaute zu Miss Fromsett. Sie blickte immer noch in die Ecke hinauf, als sei sie nur wegen der Fahrt hierher mitgekommen.
    Kingsley warf mir den Umschlag herüber, er fiel auf den Schach‐
    tisch. Ich schaute hinein. Es war wirklich Geld. Soweit stimmte die
    Geschichte. Ich ließ es auf dem kleinen polierten Tisch mit seinen braunen und blaßgoldenen Quadratfeldern liegen.
    Ich sagte: »Was ist denn passiert, daß sie nicht ihr eigenes Geld abhebt? Jedes Hotel würde ihr doch einen Scheck bestätigen. In den
    meisten bekäme sie gleich Bargeld. Hat ihr Bankkonto Verstopfung
    oder sonstwas?«
    »So sollten Sie nicht reden«, sagte Kingsley schwerfällig. »Sie steckt in Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, woher sie weiß, daß sie in
    Schwierigkeiten steckt. Es sei denn, ihr Steckbrief ist im Polizeifunk
    durchgegeben worden. Wissen Sie was?«
    Ich sagte, daß ich’s nicht wüßte. Daß ich nicht allzuviel Zeit gehabt
    hätte, um der Polizei im Radio zu lauschen. Dazu sei ich viel zu sehr
    damit beschäftigt gewesen, der Polizei direkt zu lauschen. Kingsley
    sagte: »Trotzdem. Sie will es wohl nicht riskieren, jetzt einen Scheck
    einzulösen. Bisher ging das. Aber jetzt nicht mehr.« Er hob langsam
    seine Augen und widmete mir einen der leersten Blicke, die ich je gesehen hatte.
    »In Ordnung. Wir können eine Sache nicht sinnvoll machen, die
    sinnlos ist«, sagte ich. »Sie ist also in Bay City. Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    »Nein. Miss Fromsett hat mit ihr gesprochen. Sie rief im Büro an.
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    Gerade zu der Zeit, als der Polizist vom Strand, dieser Captain Webber, bei mir war. Natürlich wollte Miss Fromsett sich nicht ausgerechnet in diesem Augenblick mit ihr unterhalten. Sie sagte ihr also, wir würden zurückrufen. Aber sie wollte keine Nummer ange-ben, unter der wir sie zurückrufen konnten.«
    Ich schaute zu Miss Fromsett. Sie brachte ihre Augen von der Dek‐
    ke runter und richtete sie auf meinen Scheitel. Ihre Augen waren vollkommen leer. Wie zugezogene Vorhänge.
    Kingsley fuhr fort: »Ich wollte nicht mit ihr sprechen. Sie wollte nicht mit mir sprechen. Ich wollte sie nicht sehen. Ich vermute, es gibt keinen Zweifel mehr, daß sie Lavery erschossen hat. Webber schien davon ganz überzeugt.«
    »Das bedeutet gar nichts«, sagte ich. »Was er sagt und was er denkt, sind oft zwei Paar Stiefel. Aber mir gefällt es gar nicht, daß sie weiß, daß die Polizei hinter ihr her ist. Das ist lange her, daß jemand sich den Polizeifunk auf Kurzwelle bloß so zum Vergnügen
    angehört hat. Dann also hat sie noch mal angerufen. Und dann?«
    »Es war fast halb sieben«, sagte Kingsley. »Uns blieb nichts ande‐
    res übrig, als im Büro zu bleiben und auf ihren Anruf zu warten.
    Erzählen Sie’s ihm!« Er wandte seinen Kopf dem Mädchen zu.
    Miss Fromsett sagte: »Ich habe das Gespräch in

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