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Die Tote in der Bibliotek

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Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Marple. Sie wohnt in St. Mary Mead, einem Dorf anderthalb Meilen von Gossington entfernt. Sie ist eine Freundin der Bantrys – in Sachen Verbrechen die absolute Expertin, Conway.»
    Jefferson runzelte die buschigen Brauen und sagte langsam: «Soll das ein Scherz sein?»
    «Keineswegs. Du hast doch eben Melchett erwähnt. Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, war er mit der Aufklärung einer ländlichen Tragödie befasst. Ein Mädchen, das angeblich ins Wasser gegangen war. Die Polizei nahm zu Recht an, dass es sich nicht um Selbstmord, sondern um Mord handelte, und glaubte auch zu wissen, wer der Täter war. Und auf einmal kommt die alte Miss Marple zu mir, flatternd vor Aufregung. Sie hätte Angst, sagt sie, der Falsche könnte gehängt werden. Einen Beweis hätte sie nicht, aber sie wüsste, wer’s gewesen sei. Gibt mir einen Zettel mit einem Namen drauf. Und bei Gott, Jefferson, sie hatte Recht!»
    Conway Jeffersons Brauen senkten sich noch tiefer über die ungläubigen Augen. «Weibliche Intuition, nehme ich an», brummte er.
    «Sie nennt es anders: Spezialwissen.»
    «Und das bedeutet?»
    «Genau das, was wir uns auch bei der Polizeiarbeit zunutze machen. Ein Einbruch wird gemeldet, und normalerweise wissen wir recht genau, wer ihn verübt hat, welcher von den üblichen Kandidaten zumindest. Wir kennen ihre Vorgehensweise. Miss Marple hat da so ihre Parallelen aus dem Dorfleben, trivial gelegentlich, aber recht interessant.»
    «Aber was sollte sie von einem Mädchen wissen, das in Theaterkreisen aufgewachsen und wahrscheinlich nie im Leben in einem Dorf gewesen ist?», fragte Jefferson skeptisch.
    «Sie wird schon ihre Theorien haben», erwiderte Sir Henry Clithering entschieden.
     

II
     
    Miss Marple errötete vor Freude, als Sir Henry sich zu ihr hinabbeugte.
    «Oh, Sir Henry, was für ein glücklicher Zufall, Sie hier zu treffen!»
    «Es ist mir ein großes Vergnügen», erwiderte Sir Henry galant.
    «Sehr liebenswürdig», murmelte Miss Marple und errötete noch tiefer.
    «Wohnen Sie hier im Hotel?»
    «Ja – ja, wir wohnen hier.»
    «Wir?»
    «Mrs. Bantry und ich.» Sie sah ihn forschend an. «Haben Sie’s schon gehört? Ja, ich seh’s Ihnen an. Schrecklich, nicht wahr?»
    «Was macht denn Dolly Bantry hier? Ist ihr Mann auch da?»
    «Nein. Die beiden reagieren ja ganz unterschiedlich auf die Sache. Colonel Bantry, der Ärmste, schließt sich in seinem Arbeitszimmer ein, oder er fährt aufs Gut hinaus, wenn etwas Unangenehmes passiert. Wie eine Schildkröte, verstehen Sie? Zieht den Kopf ein und hofft, nicht gesehen zu werden. Dolly ist da ganz anders.»
    «Dolly freut sich geradezu darüber, wie?», sagte Sir Henry, der seine alte Freundin gut kannte.
    «Nun, äh, doch, ja. Die Ärmste.»
    «Und Sie sollen für sie die Kaninchen aus dem Hut zaubern?»
    «Dolly dachte, ein Tapetenwechsel würde ihr gut tun, und allein wollte sie nicht fahren», entgegnete Miss Marple gelassen. Ihre Blicke trafen sich, und sie zwinkerte leicht. «Aber Sie sehen es natürlich ganz richtig, Sir Henry. Mir ist die Sache etwas peinlich, denn ich werde ihr da keine Hilfe sein können.»
    «Sie haben keine Theorie? Keine Dorfparallele?»
    «Ich weiß noch kaum etwas über die ganze Angelegenheit.»
    «Ich denke, dem kann abgeholfen werden. Ich kann Sie über gewisse Dinge informieren, Miss Marple.»
    Er gab ihr einen kurzen Bericht. Miss Marple lauschte gespannt.
    «Der arme Mr. Jefferson», sagte sie. «Was für eine traurige Geschichte! Entsetzlich, diese Unfälle! Dass er als Krüppel weiterleben muss, ist doch fast grausamer, als wenn er mit den anderen umgekommen wäre.»
    «Allerdings. Seine Freunde bewundern ihn dafür, mit welch eiserner Energie er sein Leben meistert, wie er Schmerzen, Kummer und körperliche Behinderung bezwungen hat.»
    «Ja, ganz großartig.»
    «Das Einzige, was ich nicht verstehe, ist diese plötzliche Begeisterung für das Mädchen. Aber gut, ein paar bemerkenswerte Eigenschaften mag sie ja gehabt haben.»
    «Wohl eher nicht», entgegnete Miss Marple bedächtig.
    «Nein?»
    «Ich glaube nicht, dass ihre Eigenschaften eine Rolle gespielt haben.»
    «Conway Jefferson ist kein alter Lustmolch, Miss Marple.»
    «Nein, nein, natürlich nicht!» Miss Marples Gesicht färbte sich tief rosa. «Das habe ich damit nicht im Entferntesten gemeint! Ich habe mich schlecht ausgedrückt. Ich will damit nur sagen, dass er sich nach einem netten, fröhlichen Mädchen umgesehen hat, das die Stelle seiner

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