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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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General Gaults Nichte war und die Armee wußte, daß sie tot war, sollte man doch annehmen, daß auch der Armee daran lag, sie zu identifizieren und angemessen zu begraben.
    »Dr. Scarpetta.« Rose stand in der Tür. »Brent von American Express ist am Telefon.« Sie stellte den Anruf durch. »Es wurde wieder etwas abgebucht«, sagte Brent. »Okay.« Ich spannte mich an.
    »Gestern. Von einem Restaurant namens Fino in New York. Ich hab's überprüft. Es ist in der 36. Straße East. 104 Dollar und 13 Cent.«
    Bei Fino gab es wunderbares norditalienisches Essen. Meine Vorfahren stammten aus Norditalien, und Gault hatte sich als Norditaliener namens Benelli ausgegeben. Ich versuchte, Wesley anzurufen, aber erreichte ihn nicht. Ebensowenig Lucy. Marino war schließlich der einzige, dem ich erzählen konnte, daß Gault wieder in New York war.
    »Er spielt weiter seine Spielchen«, sagte er angewidert. »Er weiß, daß du die Abbuchungen überwachen läßt, Doc. Er will, daß du erfährst, was er tut.«
    »Das denke ich auch.«
    »Über deine Kreditkarte werden wir nicht an ihn herankommen. Du solltest sie sperren lassen.«
    Das konnte ich nicht. Meine Karte war so etwas wie Lucys Modem unter dem Boden der ERF. Beides waren dünne Fäden, die zu Gault führten. Er spielte seine Spielchen, aber eines Tages trieb er sie vielleicht zu weit. Vielleicht würde er zu leichtsinnig, schnupfte zuviel Kokain und beginge einen Fehler.
    »Doc«, fuhr Marino fort, »du läßt dich zu sehr in die Sache hineinziehen. Du brauchst ein bißchen Abstand.«
    Vielleicht wollte Gault, daß ich ihn fand. Jedesmal, wenn er meine Kreditkarte benutzte, übermittelte er mir eine Botschaft. Verriet er mir mehr über sich selbst. Ich wußte, was er gern aß und daß er keinen Rotwein trank. Ich wußte, welche Zigaretten er rauchte, was für Kleidung er trug, und ich dachte an seine Stiefel.
    »Hörst du mir überhaupt zu?« fragte Marino.
    Wir hatten bislang angenommen, daß die Stiefel Gault gehörten.
    »Die Stiefel gehörten seiner Schwester«, dachte ich laut.
    »Wovon redest du?« Marino klang ungeduldig.
    »Sie muß sie vor Jahren von ihrem Onkel bekommen haben, und dann hat Gault sie ihr weggenommen.«
    »Wann? Jedenfalls nicht im Schnee von Cherry Hill.«
    »Ich weiß nicht, wann. Vielleicht kurz bevor sie starb. Vielleicht im Museum. Sie hatten ungefähr die gleiche Schuhgröße. Vielleicht haben sie ihre Stiefel getauscht. Aber ich bezweifle, daß sie ihre freiwillig hergegeben hat. Die Stiefel waren hervorragend für den Schnee geeignet. Viel besser als die, die wir bei Benny gefunden haben.«
    »Warum sollte er ihr die Stiefel wegnehmen?«
    »Ganz einfach: Weil er sie haben wollte.«
    Am Nachmittag fuhr ich mit einem voll bepackten Aktenkoffer und einer kleinen Reisetasche zum Flughafen von Richmond. Ich hatte den Flug nicht bei meinem Reisebüro gebucht, weil ich verhindern wollte, daß irgend jemand, der mich kannte, erfuhr, wohin ich flog. Am Schalter kaufte ich ein Ticket nach Hilton Head, South Carolina.
    »Dort unten soll es schön sein«, sagte die gesprächige Angestellte. »Man kann gut Golf und Tennis spielen.« Sie blickte auf meine Reisetasche.
    »Sie müssen sie kennzeichnen«, sagte ich sehr leise. »Es ist eine Waffe drin.«
    Sie nickte und gab mir einen orangefarbenen Aufkleber, aus dem ersichtlich war, daß ich eine ungeladene Schußwaffe dabei hatte.
    »Sie können sie drin lassen«, sagte die Frau. »Können Sie ihre Tasche abschließen?«
    Ich schloß sie ab und sah zu, wie sie die Tasche auf das Förderband stellte Sie reichte mir mein Ticket, und ich ging zu dem Abfluggate. Eine Menge Leute drängten sich dort, und sie wirkten nicht gerade glücklich, daß sie nach den Feiertagen nach Hause oder zu ihrer Arbeit zurückkehren mußten.
    Ich hatte den Eindruck, daß der Flug nach Charlotte länger als eine Stunde dauerte, was wohl daran lag, daß mein Piepser zweimal losging und ich mein Handy nicht benutzen konnte. Ich las das Wall Street Journal und die Washington Post, während meine Gedanken einen tückischen Kurs einschlugen. Ich überlegte, was ich zu den Eltern von Temple Gault und der ermordeten Frau, die wir Jane nannten, sagen würde.
    Ich war nicht einmal sicher, ob die Gaults mit mir reden würden, denn ich hatte meinen Besuch nicht angekündigt. Ihre Telefonnummer und Adresse waren geheim. Aber ich war überzeugt davon, daß die Plantage, die Live Oaks Plantation, die sie in der Nähe von Beaufort gekauft

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