Die tote Schwester - Kriminalroman
Amsterdam.
»So«, sagte Jack Rosenfeldt. »Ich muss hier mal wieder. Wir haben hier eine lange Nacht.«
Zbigniew hatte einen fürchterlichen Gedanken.
Der Wiretap. Spielte Delias Mann eine größere Rolle, war er Teil des Ganzen?
»Sagen Sie mir bitte nur noch eines … Der Beamte, der den Mann erschossen hat … das war nicht zufällig Greg Johannsen, oder?«
Mit einem Mal herrschte Stille in der Leitung.
»Fuck me … «, fluchte Jack Rosenfeldt.
Er würde Zbigniew nicht antworten.
»Wenn er es war, dann passen Sie auf Ihren Kollegen auf«, wagte Zbigniew sich vor. »Er könnte verwickelt sein.«
»Wie kommen Sie zu so einer Aussage?«
Rosenfeldt war weiterhin wütend, aber er hatte die Contenance wieder.
»Es ist nur eine vage Vermutung. Sie sollten in dem Zusammenhang überprüfen, ob der Mann aus Amsterdam schon einmal für das Kunsthaus von Delia Johannsen tätig war. South River Gallery. Oder für Tom Streithoff hier in Maastricht, Niederlande, gleiche Galerie. Oder vielleicht kannten er und Greg sich sogar?«
Zbigniew hörte Gekritzel, Jack Rosenfeldt machte sich offenbar Notizen.
»Okay. Take care«, sagte dieser dann etwas brüsk.
Sie legten auf.
Zbigniew blickte nach unten, auf das Haus, wo immer noch alles ruhig dalag.
Das Domizil von Tom Streithoff.
Der Scherge war tot. Zum Schweigen gebracht.
Greg Johannsen hatte ihn erschossen. Eine Notbremse, weil der Mann aus Amsterdam in die Falle der Polizei gelaufen war.
Hätte Greg Johannsen ihn nicht vorwarnen können, wenn er von der polizeilichen Aktion wusste, sogar daran teilgenommen hatte?
Vielleicht hatte er es versucht und etwas war schiefgegangen.
Oder …
Zbigniew kam ein perfider Gedanke.
Was, wenn Greg und Delia beschlossen hatten, dass es besser sei, ihn zu töten?
Wenn sie sich dies trauten, würde es keine nachweisbaren Verbindungen zwischen dem Mann aus Amsterdam und den Johannsens oder Tom Streithoff geben. Jack Rosenfeldt konnte sich die Mühe sparen.
Greg Johannsen, ein neuer Faktor.
Nicht die NSA , nicht die CIA , nicht das Project Echelon.
Nicht ein islamistischer Kreis.
Irgendwie musste Greg Johannsen es geschafft haben, innerhalb kürzester Zeit ein Wiretap für Lenas Telefon zu bekommen. Das Signal, das irgendwo über einen amerikanischen Telefonanbieter gelaufen war, abzuhören. Vielleicht stand er gut mit einem Richter, oder vielleicht lief das auch alles ganz anders in den USA . Zbigniew hatte keine Ahnung.
Oder er hatte es illegal durchgeführt, es ging ja nicht darum, die Informationen später richterlich zu verwenden.
Natürlich.
Außer dem Mann aus Amsterdam würde es nicht viele andere Mitwisser geben, da war Zbigniew sich sicher. Sonst wäre es nicht wichtig gewesen, ihn zu erschießen.
Der Mann, der mit Lena in die Bank gegangen war. Der kein Wort gesagt hatte, vermutlich, damit man seinen Akzent nicht hörte. Damit man ihn nicht einordnen konnte.
Der Vertraute der Streithoffs.
Vermutlich wusste er nicht um die Größe des Verbrechens, das dahinterstand. Er wusste nur, was in den letzten Tagen geschehen war. Sonst wäre es für die Streithoffs zu gefährlich gewesen, einen Mann wie ihn einzubeziehen.
Überhaupt irgendeine Person einzubeziehen.
Tonias Kopf wurde immer schwerer. Er ließ ihn behutsam in seinen Schoß sinken.
Sein Telefon zeigte an, dass es nun neun Uhr war.
Es war soweit.
Der Knopf war schon gedrückt. Das Telefon tat seine Arbeit.
»Ja?«
Sich zusammennehmen.
»Delia?«
Ein Moment Stille.
»Hier ist Zbigniew.«
»Zbigniew! Wie geht es Ihnen?«
Delia war unverändert. Überschwänglich.
»Haben Sie kurz Zeit?«
»Ja, natürlich, für Sie.«
»Es ist etwas passiert.«
Zbigniew machte eine Kunstpause. Er lauschte Delias Atem aus dem Hörer, der sich mit Tonias Atem unter ihm vermischte. Da Delia nicht fragte, sprach er weiter.
»Es ist etwas Gravierendes passiert«, konkretisierte er. »In einer anderen Bank in Köln ist eine weitere Akte von Gideon Weissberg aufgetaucht. Sie erinnern sich, der Überfall in der Stürmer-Bank. Ich bin mir mittlerweile sicher, dass dort Akten gestohlen wurden, die Gideon damals eingelagert hatte. Jetzt hat sich eine andere ehemals jüdische Bank gemeldet, die offenbar ähnliche Akten hat. Oder sogar eine Kopie der ersten, wir können es nicht genau beurteilen.«
Delia brauchte eine Sekunde.
»Was? Wovon sprechen Sie?«
»Ich würde mir die Akten gern ansehen, zusammen mit Ihnen. Es gibt da einige Dinge, die mir seltsam vorkommen,
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