Die tote Schwester - Kriminalroman
wo ich Sie gern dazu befragen würde. Es geht um Bilder, eine große Anzahl von Gemälden.«
»Was denn für Gemälde?«
Es war ein Pokerspiel. Zbigniew wusste nicht alles, er wusste nur die Hälfte. Und sogar davon war der Großteil bloß zusammengereimt. Wenn er jetzt einen Fehler machte, würde Delia ihm nicht auf den Leim gehen.
»Ich weiß es nicht. Aber ich dachte, da Sie ja Fachfrau sind, können Sie es mir erklären.«
Stille am anderen Ende der Leitung. Delia kämpfte mit sich. Sie fragte sich, ob Zbigniew bereits klar war, dass die Akte etwas mit ihr zu tun hatte. Mit ihrem Vater. Oder ob er es noch nicht wusste.
»Hätten Sie eine Stunde Zeit, sich mit mir zu treffen?«, hakte er nach.
»Grundsätzlich schon. Ich müsste nur erst … «
»Sie sind in der Nähe von Maastricht, sagte Tonia mir? Wenn Sie wollen, komme ich auch vorbei.«
»Danke, das ist nicht … «
»Es würde keine Umstände machen. Wir können uns ja dort in einem Café treffen.«
»Nein, wenn, dann werde ich nach Köln kommen … Ich habe heute Mittag ohnehin einen Termin dort, insoweit könnte ich … «
»So um elf?«, unterbrach er sie.
Sie überlegte.
»Warten Sie bitte einen Moment«, sagte sie dann.
Rascheln in der Leitung.
Stille.
Sie hatte ihn beiseite gelegt. Sprach sie nun mit ihrem Bruder, beratschlagten sie, was zu tun sei? Er hob sein Gesäß ein wenig an, die Hose war von unten klatschnass. Der Waldboden, es war alles nicht gut für seinen Körper. Tonias Kopf hatte sich gedreht, doch sie schlief weiter.
Leicht mechanisch, aber sanft strich er ihr über das kräftige, dunkle Haar. Dann bemerkte er, was er tat, und hielt inne.
Schließlich war Delia wieder am Apparat.
»Hören Sie, ich habe um eins einen Termin in Köln. Wir könnten uns so gegen drei treffen, wenn Sie wollen.«
Zbigniew überlegte. Das war ihm viel zu spät. Er wollte nicht stundenlang hier sitzen, um zu warten, bis sie endlich wegfuhr. Andererseits wollte er auch nicht zu sehr drängen, damit Delia sich nicht gleich in die Ecke gedrängt fühlte.
»Vor dem Termin ginge es nicht zufällig?«, fragte er.
»Nein, leider nicht.«
Er würde es dabei belassen müssen.
»Gut. Was halten Sie vom Kafé Huber am Hansaring? Das liegt doch schön zentral. Kennen Sie es?«
Im Kafé Huber trafen sich Künstler und Kunststudenten. Und solche, die dazugehören wollten.
»Ich werde es finden. Bringen Sie dann diese ominöse Akte mit?«
»Ja, natürlich.«
Er musste zum Schlag ausholen.
»Ich würde Sie bitten, dass Ihr Bruder Sie begleitet.«
»Was? Wieso?«
Damit Zbigniew das Grundstück in Ruhe untersuchen konnte.
»Es ist essentiell. Nach allem, was ich bisher in der Akte gelesen habe, betrifft es auch Ihren Vater.«
Es dauerte einen Moment. Würde sie Rücksprache mit Tom nehmen müssen?
Nein.
»Gut. Ich bringe ihn mit.«
»Vielen Dank. Ich danke Ihnen sehr für die Hilfe.«
»Gern geschehen.«
»Dann bis um drei!«
Sie legten auf. Zbigniew schnappte nach Luft.
Er glaubte nicht, dass Delia einen Termin in Köln hatte. Es war eine klare Herauszögerungsstrategie. Sie und ihr Bruder wollten Zeit haben, um sich zu überlegen, wie sie nun handeln sollten.
Oder war sie ihm gar nicht auf den Leim gegangen? Würden sie und Tom überhaupt nicht nach Köln fahren, hatten sie einen ganz anderen Plan?
Er musste sie beide aus dem Haus bekommen.
Ihm fiel ein, dass er selbst in einer Stunde einen Termin im Kunsthaus Konrads hatte. Mit dem Seniorchef, der nun vergeblich auf ihn warten würde.
Es spielte keine Rolle mehr.
Hier war der Ort, an dem er jetzt sein musste.
Der Mann aus Amsterdam war tot.
Samuel war befreit.
Und Lena war hier.
Hier, direkt, im Haus oder in der Nähe.
Er hatte seine Dienstwaffe mitgenommen.
Es gab keine andere Möglichkeit. Zbigniew hatte in der Nacht alles von vorn nach hinten, von links nach rechts durchdacht.
Gideon Weissberg war tot. Seine Frau war tot. Und Lion Seeliger war in den Konzentrationslagern umgekommen.
Niemand wusste von ihrem geheimen Deal. Von der Aktion der jüdischen Freunde, dass sie damals die Gemälde ausgetauscht hatten. Die kostbaren Originale gegen Fälschungen, weil sie wussten, dass jene von den Nazis aus den Museen gerissen werden würden.
Zbigniew hatte keine Ahnung, welchen Umfang die Aktion damals gehabt hatte. Es schien aber möglich, dass noch viel mehr Kunstwerke betroffen waren, als er sich im Moment vorstellen konnte.
Es musste etwas auf dem Spiel stehen, sonst hätten
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