Die tote Stadt: Frankenstein 5: Roman (German Edition)
getötet, als du in deinem ganzen Leben kennenlernen wirst. Die meisten Leute brächte ich eher um, als dass ich sie ansehen würde. Manche Menschen habe ich bloß deshalb getötet, weil sie gelächelt und hallo zu mir gesagt haben.«
Nummy schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher, dass Sie das wirklich getan haben.«
»Du solltest mich besser keinen Lügner nennen. Wenn mich jemand einen Lügner nennt, schneide ich ihn auf, arrangiere seine Eingeweide neu und nähe ihn wieder zusammen, und dann muss er für den Rest seines Lebens aus dem linken Ohr pinkeln.«
»Letztes Mal haben Sie gesagt, Sie schneiden ihm die Zunge raus und braten sie sich mit Zwiebeln zum Frühstück.«
»Richtig. Manchmal tue ich das eine, manchmal das andere. Das hängt von meiner Stimmung ab. Du solltest mich also besser nicht als einen Lügner bezeichnen.«
»Das tue ich doch gar nicht. Das wäre nicht nett. Man sollte immer nett zueinander sein.«
Als sie wieder in der Garage waren, drückte der alte Mann auf einen Knopf, um das große Tor zu öffnen. Ein leichter Wind war aufgekommen und wehte Schnee aus der Nacht herein.
Mr Lyss legte sein langes Gewehr auf die Werkbank und sagte: »Ich sehe keine Möglichkeit, das Ding mitzunehmen. Es wird nicht in die Satteltaschen passen. Wir müssen eben hoffen, dass die Pistolen genügen.«
Die kleineren Schusswaffen steckten in den tiefen Ta schen seines langen Mantels, und in anderen Taschen hatte er eine Menge Munition verstaut – alles aus dem Haus des Predigers geborgt, das sie niedergebrannt hatten.
Nummy hatte noch keine vierundzwanzig Stunden mit Mr Lyss verbracht, aber es schien ihm, als sei in der Zeit genug für ein ganzes Leben passiert. Wenn man sich mit Mr Lyss einließ, hatte man keine Zeit, sich zu langweilen.
»Wir ziehen den Anhänger auf die Auffahrt und senken die Rampe in den Schnee«, sagte der alte Mann. »Aber warte. Lass mich erst dieses verdammte Ding aufsetzen.«
Das verdammte Ding war der Helm. Er war silbern und schwarz mit einem Visier.
Ein Kreis aus kleinen Löchern in dem Helm direkt vor seinem Mund ließ Mr Lyss’ Stimme durch. »Wie sehe ich aus?«
»Wie ein Raumfahrer.«
»Furchteinflößend, was?«
»Nein. Sie sehen komisch aus.«
»Du weißt doch hoffentlich, was ich mit jedem vorlauten Mistkerl getan habe, der sagt, ich sähe komisch aus?«
»Bestimmt nichts Nettes«, sagte Nummy.
27.
Sowie er ihn sah, wusste Frost, dass der Mund in ihrer Handfläche echt war, aber er versuchte dennoch, sich einzureden, es handele sich nur um ein ungewöhnlich drei dimensionales Tattoo oder um einen Scherzaufkleber, denn wenn der Mund echt war, wären seine gesamte Ausbildung und Erfahrung in dieser Situation keinen Pfifferling wert. Wenn der echt war, dann brauchte diese Stadt keine Under coveragenten; sie brauchte Exorzisten, ein ganzes Aufgebot von Exorzisten.
Als die Zunge aus dem Mund herausschnellte, über die Zähne fuhr und obszön flatterte, sah Frost der Frau in die Augen. Bisher waren sie glasig gewesen, als sei sie halb in Trance, doch jetzt veränderten sie sich. Ihr Blick wurde kühn und scharf, ihre Augen so stechend wie die eines jeden Raubvogels, obwohl der Blick keines Vogels jemals den sengenden Hass ausgedrückt hatte, der in den Augen dieses Geschöpfs glühte.
Der Morgenmantel aus blauer Seide, der sich um die Frau herum manifestiert hatte, löste sich wieder in Dunst auf, wie er auch von Trockeneis aufsteigt, und der Dunst schien von ihrer Haut aufgesaugt zu werden. Sie flirrte von den Zehen bis zum Scheitel wie eine Fata Morgana, und die idealen Playmate-Proportionen ihres Körpers schmolzen dahin, als ihr Fleisch und ihre Knochen wie weiches Wachs zerflossen. Ein Teil der Substanz ihres Rumpfes ergoss sich in ihren ausgestreckten rechten Arm, der anschwoll und dessen Haut sich dehnte wie Wurstpelle, die mit verflüssigtem Fleisch vollgepumpt wird. Ihre Hand wurde dicker, und die Zunge im Mund dieser Hand streckte sich ihnen entgegen, jetzt silbrig grau und so flach wie ein Bandwurm, als sie sich wellenförmig durch die Luft bewegte und ihre Spitze sich aufblähte wie der Nackenschild einer Kobra.
Dagget stieß einen Schrei voller Ekel und Entsetzen aus, der Frost erschreckte, ihn aber auch auf den ohrenbetäubenden Knall der Pistole seines Partners vorbereitete: sechs Schüsse in schneller Abfolge, die von den Bodenfliesen und den gekachelten Wänden widerhallten, von der Glastür der Dusche und von dem Spiegel, als flöge man
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