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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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mußten wir eine kleine Pause einlegen.
    »Wissen Sie, meine Frau, die ist immer so hart. Das mit der Hausordnung wär ja nicht so schlimm. Sollen die Leute doch ihr Kätzchen haben. Mir ist das egal. Wir hatten früher auch Kätzchen. Sind doch süße Tierchen.«
    Er blickte mich mit verhangenen Augen an. »Ich hätte die Katze nicht umgebracht. Glauben Sie mir das? Aber meine Frau. ›Alfred‹, sagt sie immer …«
    Ich glaubte ihm.
    Schließlich waren wir an der Haustür angekommen. Dort lag immer noch das Stadthallenprogramm. Ich hatte es vorhin wohl einfach fallengelassen.
    »Trinken Sie ein Bier mit? Bei mir?« fragte ich. »Ich habe auch Kölsch da.«
    Er nickte.
    Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Nach der zweiten Flasche bot mir Krause das Du an.
    »Ich heiße Alfred«, sagte er und stieß mit mir an.
    »Remigius«, sagte ich und stieß zurück.
    Er nickte. »Weiß ich. Bist ‘ne arme Sau«, sagte er nur.
    »Prost.«
    *
    Nach einer Stunde war Krause wieder durch die Tür. Von unten drangen die Kommentare seiner Frau in meine Wohnung. Ich ignorierte es und machte mich an das Informationsmaterial. »Historische Stadthalle am Johannisberg - Jahresprogramm 99/2000« verkündete der Titel. Ich rümpfte die Nase über den Rot-Ton, in dem das Buch größtenteils gedruckt war. Ochsenblutfarben nannte man das wohl. Irgendwie fies. Aber es fiel auf, und das war ja der Sinn der Sache. Die Seiten bestanden aus dickem, fast pappeartigem Papier. Der Klotz lag unbequem in der Hand.
    Ich blätterte das Buch durch und registrierte Titel von Konzerten, Namen von Komponisten, Fotos von mehr oder weniger ernst dreinblickenden Menschen: Musiker, deren Auftritte angekündigt wurden.
    Ich überflog reißerische Texte, die von Chören, Kammermusikabenden und Sinfoniekonzerten berichteten, von Familienkonzerten und Jubiläen: 3. »Bergische Biennale«, »Hundert Jahre Postchor Wuppertal«, »Wiener Philharmoniker«, Anne-Sophie Mutter und »Windsbacher Knabenchor«. »Weihnachten im Glanze des Barock«, »Carmina Burana«, Juliette Gréco und so fort. Dazwischen Fotos von Stuckdecken, merkwürdigen Ornamenten und Falten von Vorhängen. Es waren Detailaufnahmen aus der Stadthalle. Verzierungen von Säulen, Wänden, Türen und Fußböden.
    Irgendwann blieb ich an einem Foto hängen, auf dem ein älterer Herr mit Brille dem Leser entgegenlächelte. Es war Arthur Satorius, der Dirigent. Und es war das gleiche Foto, das sich an Reginas Pinnwand befand. Ich war auf der Seite, auf der von dem Konzert mit der Wuppertaler Kammerphilharmonie die Rede war.
    Dann stolperte ich über die Tagung der Energieagentur NRW, die Fortbildungsveranstaltung »Therapie der terminalen Herzinsuffizienz und einen Vortrag über »Schlafstörungen im Bergischen«. Schließlich fand ich ganz hinten im Buch ein Gruppenfoto der Hallenbelegschaft.
    Ganz vorne jemand mit Fliege, offenbar der Geschäftsführer. Daneben stand ein Werbetext mit dem Aufhänger »Wir machen es möglich«. Ich überflog die Seite und stellte fest, daß es bei weitem nicht nur Konzerte in dieser Stadthalle gab, sondern auch Kongresse, private Feiern wie zum Beispiel Jubiläen und sogar Hochzeiten. Fazit: »Jeder Gast hat es verdient, sich in der Stadthalle rundum wohlzufühlen, ganz gleich, ob er zusammen mit zwanzig Tanten auf der Terrasse walzert oder mit vierzehnhundertneunundneunzig Fachkollegen im Großen Saal debattiert. Lassen Sie sich von unserem Team dazu animieren, Ihren ganz persönlichen Termin in der Stadthalle zu planen.«
    Darunter stand eine Telefonnummer. Ein paar Minuten lang überlegte ich, wie ich die Sache angehen sollte. Dann griff ich zum Hörer und wählte.
    *
    Eine Stunde später öffnete sich vor mir die Fahrstuhltür und gab den Blick in einen weißgestrichenen, hohen Gang mit grauem Teppichboden frei. Moderne Plastikschildchen an der Wand neben den Türen verkündeten, wer in dem jeweiligen Büro zu Hause war. Hier oben war es mit der historischen Kulisse aus der Gründerzeit vorbei. Hier befand sich die »Stadthalle-GmbH« - die moderne Betreiberfirma einer historischen Institution.
    Ich ging mit teppichgedämpften Schritten schnurstracks nach hinten in Richtung Geschäftsleitung.
    Der Mann am Schreibtisch trug Sakko und Fliege. Ich erkannte ihn von dem Gruppenfoto. Als ich das große, helle Büro betrat, stand er auf, lächelte und hielt mir die Hand hin.
    »Hereinspaziert. Wintershausen. Guten Tag. Bitte nehmen Sie Platz.«
    Der Geschäftsführer machte einen

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