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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Stufen hinauf. Oben warteten weitere Konditionsübungen auf mich: die Elisenstraße, die wieder in eine steile Treppe mündet, und schließlich der langsam, aber stetig ansteigende Otto-Schell-Weg, der zum Botanischen Garten hinaufführt.
    Ich fragte mich, warum Mallberg ausgerechnet diesen Treffpunkt ausgesucht hatte. Egal - nach dem, was ich alles über ihn gehört hatte, kam die Gelegenheit, ihn mir anzusehen, genau richtig. Ich wollte unbedingt herausfinden, warum er so blind an die Selbstmordtheorie glaubte. War er behördenhörig? Litt er so sehr unter dem Verlust seiner Tochter, daß er einfach alles vom Tisch haben wollte? Oder steckte etwas anderes dahinter? Mir war nicht entgangen, daß Frau Mallberg beteuert hatte, ihr Mann sei völlig mitgenommen, und Herr Mallberg dasselbe von seiner Frau behauptete. Dabei waren beide in der Lage, sich ihre eigene Meinung über das Ereignis zu bilden. Ich war gespannt, wie Mallberg auf meinen Fund aus dem Computer reagieren würde.
    Das Café Hardt hatte um diese Jahreszeit geschlossen. Die Terrassen waren verwaist. Ich passierte das große Schild, auf dem die Öffnungszeiten des Botanischen Gartens bekanntgemacht wurden. Dann folgte ich den feinen Kieswegen, auf denen man in gewundenen Pfaden an sorgfältig gepflegten Beeten mit den verschiedensten Pflanzen vorbeikommt. Ordentlich beschriftete Metallschildchen erklären, was dort jeweils wächst. Ich las Namen wie »Mespilus« oder »Chionodxa«, was »Mispel« und »Schneestolz« bedeutet. »Viola« kannte ich, und ich wußte auch, daß es »Veilchen« heißt. Von den Pflanzen selbst war jetzt nichts zu sehen. Die Schildchen ragten aus der nackten Erde wie Grabsteine auf einem Zwergenfriedhof.
    Ich war der einzige Besucher. Müde sah der Elisenturm auf die Ödnis herab. Mit seinem rötlich-weißen Anstrich erinnerte er an einen altmodischen kleinen Leuchtturm.
    Um kurz vor elf hatte ich die Stelle gefunden, wo das »Milchstern«-Schildchen steckte. Mallberg hatte die Stelle gut ausgesucht. Zwei Bänke luden unter einem mächtigen Baum zum Verweilen ein. Von hier aus konnte man hinunter ins Tal blicken - vor allem jetzt, wo die Bäume ihre Blätter verloren hatten. Es war trocken, ich konnte mich setzen, und ich genoß den Ausblick.
    Plötzlich näherten sich von hinten rasche Schritte. Ich blickte mich um.
    Der Mann sah aus wie ein pensionierter Finanzbeamter. Er trug einen dunkelblauen Regenmantel, Aktentasche und Regenschirm. Die graumelierten Haare waren sorgfältig gescheitelt. Eine randlose Brille vermittelte so etwas wie Würde. Jetzt waren die Gläser allerdings ein wenig beschlagen; Mallbergs Wangen hatten eine rötliche Färbung angenommen. Er nahm sich nicht die Mühe, mich zu begrüßen, und polterte gleich los.
    »Raus mit der Sprache. Was wollten Sie bei meiner Frau?«
    »Guten Tag, Herr Mallberg«, sagte ich ruhig. »Was soll diese Frage? Ich dachte, wir wollten Informationen austauschen?«
    Er setzte sich neben mich, nahm die beschlagene Brille ab und begann sie hektisch zu putzen.
    »Also gut«, sagte er. »Wie weit sind Sie mit Ihren Nachforschungen gekommen?«
    Ich wollte genau wissen, wie Mallberg zur offiziellen Theorie stand. »Die Selbstmordtheorie hat sich erhärtet«, sagte ich deshalb.
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte: Selbstmord. Das, was in der Zeitung steht. Was Sie auch glauben, was die Polizei glaubt, und was die ganze Stadt glaubt.«
    Sein ungläubiger Gesichtsausdruck hellte sich ein wenig auf. Sein Mund verzog sich zu einer Art Lächeln. Er wirkte erleichtert. So erleichtert, daß er nicht merkte, daß ich es nicht ernst gemeint hatte.
    »Sehen Sie? Sehen Sie? Also, was soll das alles. Ich wußte es ja.«
    »Wo es ja sogar einen Abschiedsbrief gibt.«
    Er nickte heftig. »Genau. So ist es. Es gibt einen Abschiedsbrief.«
    »Den ich übrigens noch nicht zu Gesicht bekommen habe.«
    »Die Polizei hat ihn beschlagnahmt.«
    »Und selbst wenn es ihn nicht gäbe, läge ein Selbstmord nahe.«
    »Wieso?«
    »Dazu komme ich gleich. Wußten Sie eigentlich, daß Regina eine recht erfolgreiche Schriftstellerin war?«
    Er sah mich erstaunt an. »Reden Sie keinen Quatsch. Alles, was sie interessierte, war die Musik. Und das war schon schlimm genug für uns. Brotlose Kunst.«
    Ich griff in meine Jackentasche und zog einen der Liebesromane hervor. »Dann sehen Sie sich mal das hier an. Das hat Ihre Tochter geschrieben. Unter dem Pseudonym Regina Berg.«
    Mallberg warf einen kurzen Blick auf das Heft und

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