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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Stuhl frei, indem er ein paar zusammengerollte Plakate von der Sitzfläche räumte. »Bitte schön.« Dann ließ er sich hinter seinem Schreibtisch nieder, auf dem eine mindestens zwanzig Zentimeter hohe Schicht von allerlei Papieren lastete - gekrönt von einer angebrochenen 300-Gramm-Tafel Milka. Das aufgerissene Papier in Silber und Lila stand nach allen Seiten ab, als wäre jemand gerade darüber hergefallen. Mir fiel ein, daß ich seit heute morgen nichts gegessen hatte.
    »Leider ist unser technischer Leiter im Moment nicht da. Wir bauen unten gerade eine Ausstellung auf, und so müssen Sie mit mir vorliebnehmen«, sagte Wintershausen mit heiterer Miene. »Aber das ist ja sicher nicht das Schlimmste, nehme ich an. Soweit ich verstanden habe, geht es um eine Tagung. Kaffee?«
    »Ja gern«, sagte ich, und Wintershausen verschwand irgendwohin. Nach einigen Minuten kehrte er mit einem kleinen Tablett mit Thermoskanne, Tassen, Zucker und einem Sahnekännchen aus Plastik zurück. »Meine Sekretärin hat heute frei«, erklärte er. »Da muß ich so manches selbst machen.«
    Ich trank einen Schluck und spürte, wie mein nüchterner Magen reagierte.
    »Es geht um eine berufliche Tagung«, sagte ich dann. »Sie wandert jedes Jahr in eine andere Stadt, und im kommenden Frühjahr hatten wir an Wuppertal gedacht.«
    »Welche Räumlichkeiten hatten Sie sich vorgestellt?« fragte der Geschäftsführer und begann Schubladen aufzuziehen und wieder zuzuschieben. »Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat die Stadthalle mehrere Säle. Da ist zum einen der große Saal, in dem auch die Sinfoniekonzerte stattfinden, aber wir verfügen auch über Räumlichkeiten für kleinere Gesellschaften.«
    »Etwa neunhundert Leute«, erklärte ich. »Ein großes Vortragsprogramm am Vormittag, dann gemeinsames Mittagessen und schließlich die Arbeit in verschiedenen Arbeitsgruppen. Abends geselliges Zusammensein, verbunden mit einem festlichen Abschluß. Wir haben da an eine Art Konzert gedacht, sind uns aber noch nicht sicher.«
    Wintershausen wühlte in dem Papierberg, der vor ihm lag, und zog ein leeres Blatt hervor. Er schob die Schokolade zur Seite und legte es auf den bereits bestehenden Aktenberg.
    »Dann würde ich Ihnen empfehlen, die ganze Halle zu buchen. Den großen Saal für die Vormittags- und Abendveranstaltung, tagsüber die kleineren Räume.«
    Er schrieb etwas auf das Blatt, stand auf und ging in ein Nachbarzimmer.
    »Wissen Sie eigentlich«, rief er herüber, »daß wir auch für das Catering sorgen können? Wir haben ein sehr gutes Restaurant hier im Haus, und alle Säle sind auch entsprechend nutzbar. Wo sind denn nur die Vertragsvordrucke …«
    Als er wieder hereinkam, hielt er ein paar Blätter in der Hand. »Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen das Haus kurz zeigen. Sagen Sie mir nur schon mal, welchen Termin Sie planen. Dann können wir im Computer nachsehen, ob wir an diesem Tag überhaupt frei sind.«
    »Dreißigster Mai«, sagte ich. Das ist mein Geburtstag.
    Wintershausen blickte kurz auf die Uhr. »Kommen Sie. Bei der Gelegenheit kann ich auch gleich mal sehen, wie weit die da unten mit der Ausstellung sind.«
    Wir betraten den Aufzug, mit dem ich heraufgekommen war. Unterdessen plauderte Wintershausen munter weiter. Es war nicht zu übersehen, daß die Halle sein ein und alles war.
    »Es hat sich einiges getan, seit das Haus renoviert wurde. Mittlerweile sind wir auch überregional ziemlich bekannt. Daß wir allerdings mit einem solchen Ereignis wie neulich in die Schlagzeilen kommen, damit haben wir nicht gerechnet.«
    »Ich habe darüber in der Zeitung gelesen«, sagte ich vorsichtig, und mir fiel ein, daß ich genau das heute noch nicht getan hatte. Über Mannis frühe Computeraktion und nach dem plötzlichen Anruf Mallbergs hatte ich es schlicht vergessen. »Und auch sonst war das ja ein ganz schöner Medienrummel.«
    »Das kann man wohl sagen! Sie glauben nicht, was hier los war. Schon am nächsten Morgen standen in aller Frühe die Übertragungswagen von RTL, Sat 1 und wie sie alle heißen im absoluten Halteverbot auf dem Hallenvorplatz. Gleichzeitig suchte die Polizei noch nach Spuren. Das ging dann bis zum nächsten Vormittag. Manche von den Fernsehleuten haben sogar versucht, heimlich hier hereinzukommen, um Aufnahmen vom Unglücksort zu machen. Sogar jetzt gibt es noch Leute, die unter irgendwelchen Vorwänden versuchen, hier reinzukommen, um einen Blick auf den Schauplatz des Geschehens zu werfen. Stellen Sie

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