Die Tote vom Johannisberg
machte ein angewidertes Gesicht. »Was Sie mir da weismachen wollen, ist doch Unsinn. Zufällige Namensähnlichkeit.«
»Keineswegs. Erstens befand sich dieses Heft im Zimmer Ihrer Tochter. Das heißt natürlich nichts. Zweitens war es aber als Manuskript auf einer Diskette gespeichert, die ich - zugegebenermaßen - aus dem Laufwerk des Computers Ihrer Tochter genommen habe. Und drittens hat sich Ihre Tochter unter diesem Namen einen Tag vor ihrem tragischen Tod bei mir vorgestellt. Wissen Sie, warum?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wissen Sie denn vielleicht, warum die Polizei diesen ominösen Abschiedsbrief beschlagnahmt hat, aber nichts anderes? Die Diskette zum Beispiel? Und warum stürzte sich Ihre Tochter vom Dachboden eines öffentlichen Gebäudes? Anstatt sich am Bahnhof vor den Zug zu werfen? Oder die Pulsadern aufzuschneiden?«
Er schüttelte immer noch den Kopf und blickte dabei zu Boden. Es schien so, als wolle er mit dem Kopfschütteln gar nicht mehr aufhören. »Das ist vielleicht ungewöhnlich, aber nicht unmöglich. Sie hatte eine Schwäche für das Theater und diese Sachen. Warum sollte sie ihren Selbstmord nicht inszeniert haben?«
»Ist sie in ihrem Abschiedsbrief darauf eingegangen?«
»Darum geht es hier nicht.«
»Ja oder nein, Herr Mallberg?«
Er schwieg. Ich beschloß, die Bombe platzen zu lassen.
»Und wo wir gerade dabei sind«, fuhr ich fort. »Wußten Sie eigentlich, daß Ihre Tochter ein Kind erwartete?« Wieder zog ich etwas aus der Tasche. Es war der Text der ehemals gelöschten Datei von Regina Mallbergs Diskette. Manni hatte mir in seinem Büro doch noch einen Ausdruck gemacht.
»Das stammt auch aus dem Computer Ihrer Tochter. Es ist ein Brief oder etwas Ähnliches. Er ist an eine gewisse Birgit gerichtet. Ich nehme an, es war Birgit Jungholz, ihre Freundin. Und darin schreibt Regina von ihrer Schwangerschaft. Ihre Tochter erwartete ein Kind, Herr Mallberg. Die Polizei hat das bei der gerichtsmedizinischen Untersuchungen garantiert festgestellt. Und man hat es Ihnen sicher mitgeteilt.«
Mallberg starrte mich mit offenem Mund an. Wie das Kaninchen die Schlange. Dann kam Leben in ihn. »Dazu haben Sie kein Recht«, brüllte er, sah sich dann aber um und sprach leiser weiter. »Das geht Sie überhaupt nichts an. Halten Sie sich da raus.«
»Sie wußten es«, stellte ich fest. »Und Sie haben dafür gesorgt, daß die Nachricht nicht an die Presse kommt. Auf so etwas stürzt man sich ja bekanntlich gern.«
Mallberg starrte auf das Blatt und schwieg.
»Muß es denn die ganze Welt erfahren«, sagte er leise und blickte zu Boden. »Diese Schande.« Er sah auf. Hinter seinen Brillengläsern glitzerten Tränen.
»Wissen Sie, wer der Vater ist?«
»Seien Sie still.«
»Mit wem hatte Ihre Tochter ein Verhältnis?«
»Ruhe, verdammt noch mal! Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Dreck!«
Plötzlich wandelte sich das Bild. Mallberg gewann von Sekunde zu Sekunde Stärke zurück. Er setzte sich auf und putzte sich die Nase.
Er hatte sich wieder im Griff. Streng blickte er mich an und stand auf.
»Sie haben mit meiner Frau vereinbart, daß in drei Tagen der Bericht fällig ist«, stellte er kühl fest. »Sehe ich das richtig?«
»Korrekt«, sagte ich.
»Gut. Heute ist Dienstag. Am Mittwoch abend sind wir Sie ja dann hoffentlich los.«
Damit ging er.
Ich betrachtete eine Weile das erdige Beet, dem irgendwann im Frühling der Milchstern entsteigen würde. Und ich dachte an das arme tote Mädchen, das mit solchen Eltern geschlagen gewesen war. Ich fragte mich, wer wohl der Vater ihres Kindes war. Und was genau in dem Abschiedsbrief stand. Für die erste Frage mußte ich unbedingt diese Birgit Jungholz auftreiben. Sie würde mir bestimmt Hinweise auf Regina Mallbergs Bekanntschaften geben können. Was mich wunderte, war die Tatsache, daß es Regina irgendwie geschafft hatte, an den strengen Eltern vorbei eine Liebesbeziehung aufzubauen. Mit wem? Sie konnte sich unbehelligt nur mit anderen Studenten und ihren Professoren treffen. Professor Satorius war ein wichtiger Kandidat. Immerhin hing sein Foto in ihrem Zimmer.
Und der Abschiedsbrief ? An den heranzukommen war schwierig. Ich mußte versuchen, den Kripomenschen Krüger für mich zu gewinnen. Wenn ich ihm eine wichtige Information präsentieren konnte, dann wäre ein Blick auf den Brief vielleicht eine akzeptable Gegenleistung. Mir fiel ein, daß ich Krüger nichts von Reginas Handy-Anruf gesagt hatte. Und er wußte sicher auch
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